: Keine Wassermusik
FLUT Die vorsorgliche Absage der Händelfestspiele in Halle ist das falsche kulturpolitische Signal
Hochwasser ist schlimm. Vor allem für die unmittelbar Betroffenen. In Halle erreichte die Saale den höchsten Pegelstand seit 400 Jahren. Teile der Innenstadt waren überflutet, Halle-Neustadt bedroht. Doch die Dämme hielten, das Krisenmanagement funktionierte und die zupackende Hilfsbereitschaft der Hallenser war überwältigend. Der Katastrophenfall konnte, nach vier Tagen, am 8. Juni wieder aufgehoben werden.
40.000 verkaufte Tickets
Zu den Schäden, die jetzt bewältigt werden müssen, gehört die Absage der Händelfestspiele. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und der Oberbürgermeister der Saalestadt Bernd Wiegand (parteilos) hatten am 4. Juni kurzerhand beschlossen, die Händelfestspiele komplett ausfallen zu lassen. Für das größte Kulturereignis des Landes vom 6. bis 16. Juni waren die meisten der über 40.000 Karten längst verkauft, die Hotels gebucht, die 1.000 Mitwirkenden, darunter etliche Stars der Szene, bestens präpariert.
Zwar hat der Festspiel-Intendant Birnbaum die Entscheidung mitgetragen, doch für die Künstler der Stadt war es das falsche Signal. Die meisten Spielstätten waren funktionsfähig. Das Geld ohnehin ausgegeben. Doch „Wir können nicht feiern, wenn wir einen Katastrophenfall haben“, so der OB. Natürlich hätte man das Programm anpassen müssen, aber vor allem von der Kraft der Kultur profitieren können!
Benefizveranstaltungen und Gagenverzicht wären selbstverständlich gewesen. Händel wäre vom Kultur- zum Solidaritätsbotschafter geworden, so Opernintendant Axel Köhler. Doch der Oberbürgermeister schloss auch noch das Theater und untersagte sogar jede angebotene Benefizveranstaltung bis zum 16. Juni! Was leider tief blicken lässt. Die Künstler in Halle fühlten sich schon beim jüngsten, von der schwarz-roten Landesregierung anvisierten substanziellen Kulturabbau ins Abseits gedrängt. Rote Karten mit dem Aufdruck „5 vor 12“ gehörten in den letzten Wochen zu jeder Veranstaltung.
In Sachsen-Anhalt wird die Kultur von der Politik derzeit weder als nachhaltiger Standortfaktor noch als emotional aufbauendes (Über-)Lebensmittel begriffen. Sondern als Volksbelustigungs-Fanmeile, auf die man notfalls auch verzichten kann. Ein geradezu beängstigendes (Miss-)Verständnis von Kultur! Gegen das akute „Land unter“ wurde mit vereinten Kräften das Richtige getan. Die Absage der Händelfestspiele hat den Schaden aber noch vergrößert. Materiell und auch ideell.
JOACHIM LANGE
■ Das Hallenser Opernhaus wird die für die Festspiele vorgesehene Premiere von Händels „Almira“ am 21. Juni nachholen