: Rebellen am Gasherd
Neues Gerichtsurteil verlangt von regionalem Gasversorger, seine Preiserhöhung besser zu begründen. Immer mehr Verbraucher wehren sich mit Boykotten gegen Willkürpreise
VON PASCAL BEUCKER
Die Zeit ist knapp. Nur drei Wochen hat die Regionalgas Euskirchen jetzt Zeit, das nachzuholen, was das Versorgungsunternehmen ein Jahr lang partout nicht machen wollte: Der Gasversorger muss nun offen legen, auf welcher Kalkulation eine von ihm vorgenommene Gaspreiserhöhung beruht. Diesen Auflagenbeschluss hat in dieser Woche das Landgericht Bonn gefällt. Erst danach könne über die Angemessenheit der Erhöhung entschieden werden, so die Richter.
Der Bonner ist einer von zahlreichen Prozessen, in denen sich zur Zeit Gasversorger und ihre Kunden vor Gericht duellieren. In diesem Fall hatte ein Ehepaar aus Euskirchen gegen eine aus seiner Sicht ungerechtfertigte Erhöhung des Gastarifs geklagt. In der ersten Instanz vor dem dortigen Amtsgericht unterlag das Paar: Die Erhöhung sei rechtlich nicht zu beanstanden, urteilte das Gericht im August 2005. Zudem befand es, eine Offenlegung der Bilanzen würde in die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Unternehmens eingreifen und den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft zuwiderlaufen. Dieser Auffassung hat sich das Landgericht in seiner Zwischenentscheidung jedoch nicht anschließen wollen – und damit den Gasrebellen einen Etappensieg beschert.
Der Winter ist kalt, der Gasverbrauch entsprechend hoch und die Gaspreise werden immer heißer – da kann es nicht wundern, dass das Gasrebellentum zunehmend zu einer Massenbewegung wird: Immer mehr Verbraucher wollen die für sie nicht nachvollziehbare Preissteigerungsspirale nicht länger einfach klaglos hinnehmen. Die Gasversorger nutzten ihre monopolartige Stellung aus und würden mit fadenscheinigen Begründungen nur kräftig abkassieren wollen, so lautet der Vorwurf der Rebellen, die sich in Bürgerinitiativen mit programmatischen Namen wie „Gaspreisboykott Ratingen“, „Gaspreiswiderstand Bad Honnef“ oder „Gaspreise-runter-owl“ zusammengeschlossen haben.
Nach einer Schätzung des in Rheinbreitbach bei Bonn ansässigen Bundes der Energieverbraucher, einer der Organisatoren des Protestes, zahlen inzwischen schon rund eine halbe Million Gaskunden ihre Rechnungen nicht mehr in der vollen Höhe. Dabei berufen sie sich auf den Paragraphen 315 BGB, der bei einseitigen Preiserhöhungen verlangt, dass sie dem Grundsatz der „Billigkeit“ entsprechen. Denn genau dies bezweifeln die Rebellen und verlangen deshalb von ihren Gasanbietern, ihre Kalkulationsgrundlage offen zu legen.
Angst, dass ihnen aufgrund ihres Boykotts einfach der Gashahn zugedreht wird, müssen die Widerständigen nicht haben. So hat das Bonner Landgericht Mitte Januar in drei weiteren Verfahren per einstweiligen Verfügungen der Regionalgas Euskirchen sogar untersagt, bis zum Nachweis der Angemessenheit ihrer Preiserhöhungen aufbegehrende Kunden auch nur mit einer Versorgungssperre zu drohen. Die Richter schlossen sich damit nahezu gleichlautenden Gerichtsentscheidungen in Hamburg, Heidelberg, Delmenhorst, München, Mönchengladbach und Düsseldorf an.