EU: ETIKETTENSCHWINDEL MIT EIGENER NACHRICHTENAGENTUR
: Ein neuer Trick der Geheimniskrämer

Eine von Margot Wallström mit Vorliebe verwendete Formel lautet: Nicht den Text ändern, sondern den Kontext. Die für Kommunikation zuständige EU-Kommissarin meint damit zunächst den Text der EU-Verfassung. Er soll den Bürgern in neuem Lichte präsentiert werden, damit sie ihn beim nächsten Mal wohlwollender beurteilen. Nun will Wallström das Rezept, das seine Wirksamkeit erst noch beweisen muss, auf die gesamte EU-Politik übertragen.

Nicht ihr Inhalt soll geändert werden, sondern die Verpackung. Wenn sich die Journalisten aber weigern, rosa Schleifchen um Brüsseler Luftblasen zu wickeln, dann kauft sich Wallström eben eigene Nachrichtenmacher. Eine Europäische Presseagentur, finanziert mit dem Geld der Steuerzahler, soll Brüssels Politiker besser aussehen lassen.

Das geschieht schon jetzt, wenn Europe by Satellite kostenlose Fotos von lächelnden Kommissaren ins Netz stellt oder Parlamentssitzungen so überträgt, dass die grölenden britischen Euroskeptiker in der letzten Reihe möglichst selten im Bild erscheinen. Doch das Material ist immerhin unbearbeitet. Mit einer EU-Nachrichtenagentur wäre die rote Linie zum Journalismus überschritten, der Etikettenschwindel komplett. Als seriöse Nachricht getarnt, könnte die Kommission ihre Version des Geschehens in die Redaktionsstuben schicken. Heraus käme eine eurokratische Variante der alten Ostblock-Nachrichtenagenturen. Die Glaubwürdigkeit der Brüsseler Politik bei den Bürgern würde das weiter beschädigen, und der Widerwillen würde weiter zunehmen.

Statt neue Filter für die Nachrichten aus der EU zu finanzieren, müssen die Institutionen genau den umgekehrten Weg gehen: Sie müssen mit der Geheimniskrämerei aufhören. Nur wenn die Konflikte in Rat und Kommission endlich öffentlich ausgetragen werden, können die Bürger an der Politik teilhaben. Als Schwedin müsste Margot Wallström eigentlich wissen, dass Demokratie Transparenz braucht. Doch wahrscheinlich lebt sie schon viel zu lange unter Brüsseler Eurokraten. DANIELA WEINGÄRTNER