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Archiv-Artikel

„Ich mochte ihre Parfums“

TANZ Bouchra Ouizguens „Madame Plaza“ eröffnet im HAU ein Festival afrikanischer Tanzstücke. Ein Gespräch mit der Choreografin in Marokko über den Geruch von Schminke und den Rhythmus des Denkens

Bouchra Ouizguen

■ Bouchra Ouizguen wurde im marokkanischen Ouarzazate, einer Gebirgsstadt am Rande der Sahara, geboren. Mit Taoufiq Izeddiou hat sie den zeitgenössischen Tanz in Marokko mitbegründet. Das Interview mit der Choreografin fand im Café de France in Marrakesch statt.

■ Mit ihrem Stück „Madame Plaza“ eröffnet am 11. Juni „Moussakouma“, eine Reihe von Tanzstücken aus Algerien, Mali, Marokko, Senegal, Südafrika und Côte d’Ivoire, im HAU.

INTERVIEW ASTRID KAMINSKI

taz: Sie haben Ihre Karriere als Solistin im orientalischen Tanz begonnen. Nun arbeiten Sie im Bereich des zeitgenössischen Tanzes.

Bouchra Ouizguen: Es gibt oft Konfusion über meine Biografie. Ich bin 33 Jahre alt, und ich bin mit 15 nach Marrakesch gezogen. Gleichzeitig fing ich mit dem Tanzen und Auftreten an. Als Jahresabschlussarbeit im Lycée erarbeitete ich ein Tanzstück, das zu sitzen schien. Der Vater einer Freundin engagierte mich für seine Events. Ab da konnte ich mir mein Leben und meine Tanzstunden selbst finanzieren. Die letzten achtzehn Jahre meiner Karriere haben sich dann hauptsächlich hier in Marokko gestaltet. Ich war insgesamt gerade mal eineinhalb Jahre in Frankreich. Ich bin also nicht, wie zuletzt in Belgien geschrieben wurde, eine französisch-marokkanische Künstlerin.

Sie haben das erste zeitgenössische Tanzfestival und die erste Kompanie in Marokko mitbegründet.

Ich habe lange bevor ich nach Frankreich kam, hier in Marokko mit einem Kollegen, Taoufiq Izeddiou, eine Kompanie und Trainingsmöglichkeiten für zeitgenössischen Tanz geschaffen. Sehr früh habe ich angefangen, die Genres zu mischen, nach Mitteln und Bewegungen zu suchen, die ich heute als zeitgenössischen Tanz bezeichnen kann. Damals war ich hin- und hergerissen zwischen einem Studium der Künste und der Philosophie. Das zeigte sich auch in meinen Stücken.

Orientalische oder okzidentale Philosophie?

Zunächst viel französische, weil Französisch meine Studiensprache war. Aber es gab einen zu großen Bruch zwischen dieser Philosophie und der Rhythmik und Logik, die ich lebte. Nun sind es eher die persischen und arabischen Denker zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert, die mich ansprechen. Darüber hinaus lerne ich heute das Meiste von den Menschen, denen ich begegne. Menschen, die älter und weiser sind als ich.

War das für marokkanische Verhältnisse feministisch, mit 15 Jahren umzuziehen und diesen Lebensweg einzuschlagen?

Wir waren drei Schwestern. Es gab in meiner Umgebung nur Frauen, da gab es keinen Grund, feministisch zu sein.

Sie haben für Ihr Stück „Madame Plaza“, das Sie in Berlin zum ersten Mal zeigen, mit traditionellen Sängerinnen, sogenannten Aïtas, gearbeitet. Mit dem Stück touren Sie seit fünf Jahren. Auch Ihr neues Stück „HA“ ist mit den Frauen besetzt. Sind Sie eine Art Kompanie?

Nicht nur eine Art, wir sind eine Kompanie! Die Arbeit mit dem Gesang der Aïtas war nicht darauf angelegt, einmal vorgeführt zu werden, und das war’s dann. Das ist kein „Projekt“. Alles, was wir in „Madame Plaza“ zeigen, ist darauf angelegt, sich zu entwickeln.

Die Aïtas sind Sängerinnen, aber man ordnet sie auch dem Prostituiertenmilieu zu?

Nicht direkt. Es sind die Orte, an denen sie arbeiten, die so besetzt sind. Aber generell werden hier alle Bühnenkünstler erst einmal dem Milieu des Lasziven zugeordnet. Auch ich als Tänzerin.

Die Aïtas sind keine professionellen Tänzerinnen, aber sehr bewegungsversiert.

Sie haben 25 bis 30 Jahre Karriere als Sängerinnen hinter sich. Und Gesang versteht sich in Marokko nicht ohne den Einsatz des Körpers.

Was war der zündende Moment, mit den Aïtas zu arbeiten?

Schon als Kind verehrte ich sie. Bei jeder Hochzeit, auf der sie sangen, war ich dabei, so sehr man auch versuchte, mich im Haus einzusperren. Ich mochte ihre Kleidung, ihre Schminke, ihre Parfums.

Sie haben auch mit dem französisch-marokkanischen Schriftsteller Abdellah Taïa gearbeitet.

Schon früh hatte ich den Wunsch, den Apparat des orientalischen Tanzes auseinanderzunehmen, und etwas auf die Bühne zu stellen, was keinen Grund hat, da zu sein: einen Text. Es gibt immer den Wunsch, etwas zu sagen, und damit immer einen Text, einen Schriftsteller im Hintergrund meiner Stücke. Als ich Abdellah zum ersten Mal traf, gefiel mir sein Gang. Er ließ mich an die Einsamkeit in einem bestimmten Lied denken.Wir haben angefangen, uns zu treffen und uns Battles zu liefern.

Taïa ist in Marokko bekannt als erster Künstler, der sich öffentlich als Homosexueller geoutet hat. Gibt das Probleme?

Das frage ich mich nicht. Sonst würde ich mich mit Befindlichkeitsreaktionen beschäftigen. Ich bin mir bewusst, dass ich jemanden wie ihn gewählt habe. Natürlich stört seine Persönlichkeit hier. Aber für mich war es nicht eine Entscheidung für eine Provokation. Es war eine Entscheidung des Herzens, für Taïa.

Was verbindet Sie?

Vielleicht unsere Kindheit, seine in Salé, meine in Ouarzazate – eine ähnliche Beziehung zum Früher und Heute. Das Gefühl, weder im Ausland noch hier ganz verstanden zu werden. Außerdem sind wir beide eine Art Zwangsneurotiker. Im Bereich der Ernährung, der Zeiteinteilung. Ich war froh, ein Alter Ego in ihm zu finden.

Taïa wohnt in Frankreich. Reizen Sie die leichteren Arbeitsbedingungen dort nicht auch, Probenräume, Bühnen, Stipendien, Krankenversicherung?

Meine Arbeit findet hier statt, unter der Sonne.