kleine heinekunde (1)
: Die großen Gefühle

Amalie Heine, Mathilde Heine, Else Krinitz, Deutschland: Die Leidenschaften und Lieben im Leben des Heinrich Heine

Er traut ihnen nicht, dabei haben sie ihn berühmt gemacht. Niemand schreibt so über enttäuschte Liebe wie Heinrich Heine, und sofort denkt man an Amalie, die Tochter seines schwerreichen Onkels Salomon Heine, die große, unerwiderte Leidenschaft seines Lebens. Sie interessiert sich nicht für ihn, er leidet – und schreibt 1827 „Das Buch der Lieder“, die Bibel aller enttäuschten Liebhaber.

Heine macht aus dem Fiasko einen riesigen Erfolg. „Ich trage Unerträgliches“, lässt er seinen Atlas sagen, und die Pose wird zur zweiten Natur. „Sonderbar“, teilt er einem Freund mit, „die glückliche Liebe schreibt gar keine Verse, kaum erlaubt sie einem in Prosa zu schreiben.“

Der Dichter braucht das Unglück. Heine, der Poseur. Er mag es, wenn man ihn für einen Don Juan hält, aber Amalie bleibt eine rein platonische Inspiration, und in Paris hat er nur zwei oder drei Mätressen in fünfunddreißig Jahren. Die letzte, Mathilde, heiratet er. „Meine Frau ist ein gutes, natürliches, heiteres Kind, fast zu sehr Kind. Seit sieben bis acht Jahren liebe ich sie mit einer Leidenschaft und Zärtlichkeit, die ans Fabelhafte grenzt“, schreibt er seinem Bruder Maximilian. Tatsächlich ist Madame Heine einfältig bis zur Blödheit. Sie kauft gerne ein (das, meint ihr Mann, wird ihn noch ruinieren), kocht gerne, redet mit Freundinnen. Deutsch spricht sie nicht, und die intellektuellen Freunde ihres Mannes kann sie nicht ausstehen. Kultivierte, ihm ebenbürtige Frauen wie Rahel Varnhagen und Georges Sand verehrt Heine aus der Distanz, in schwärmerischen Briefen.

Mathilde Heine heißt übrigens gar nicht Mathilde, sondern Eugénie. Er hat sie kurzerhand umgetauft. Else Krinitz, Heines letzte große Liebe und vielleicht die glücklichste, nennt er seine fine mouche, kleine Fliege. Er kann seine Frauen nur mittelbar, unter falschem Namen lieben, und die Tatsache, dass er fast völlig gelähmt ist, als die kleine Fliege in die Matratzengruft gesummt kommt, macht die Beziehung unsterblich: erotisch aufgeladen („ich küsse Ihre kleinen Pfoten“), aber inkonsumerabel, ein Traum, der durch keine Erfüllung verdorben werden kann.

Natürlich gibt es noch eine unglückliche Liebe in seinem Leben: die zu Deutschland, wo man seine Gedichte schätzt, nicht aber ihren Autor, den jüdischen Bengel aus Düsseldorf. „Ich liebe sogar im Grunde das Deutsche mehr als alles auf der Welt, ich habe meine Lust und Freude dran, und meine Brust ist ein Archiv deutschen Gefühls“, protestiert er, aber er zieht es (nicht nur wegen der Zensur) vor, in Paris zu leben. Außenseiter sein ist einfacher im Exil.

Nicht Frauen sind Heines Problem, es ist die Nähe. Seine intensivsten Beziehungen finden auf Entfernung statt, sei es geografisch (der Onkel, die Mutter), intellektuell (Mathilde) oder schon mit einem Bein im Grab. „Sonderbar“, schreibt er an seinen Bruder in Russland, „es ist mir, als wenn Du ganz in meiner Nähe wärest.“ Aus der Ferne schreibend beschwört er Intimität – ein Leben lang. PHILIPP BLOM