Wahlhelfer Platzeck braucht selbst Hilfe

Eigentlich wollte der SPD-Vorsitzende seinen Genossen in Baden-Württemberg am Wochenende Mut und Zuversicht einflößen. Doch am Ende musste die Gastgeberin Ute Vogt den Chef in Schutz nehmen – gegen Kritik aus Berlin an seinem Führungsstil

AUS STUTTGART HEIDE PLATEN

So viel Kampfeswille war nie bei den Sozialdemokraten im Südwesten. Die rund 300 Delegierten beim Parteitag der baden-württembergischen SPD waren am Samstag in der Stuttgarter Liederhalle auf Sieg gebürstet. Auf dem Programm stand: Selbstbewusster Angriff auf die CDU/FDP-Regierung. Sieben Wochen vor der Landtagswahl am 26. März bekam Spitzenkandidatin Ute Vogt dafür viel Beifall.

Die Aufbruchstimmung im Ländle wurde jedoch durch parteiinterne Kritik aus der Hauptstadt an SPD-Chef Matthias Platzeck getrübt. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und der Berliner Landeschef Michael Müller monierten, Platzeck müsse das Profil der Partei schärfen (siehe Kasten).

Vogt, selbst SPD-Bundesvize, ging auf die Störfeuer aus Berlin nur am Rande des Parteitags ein. In einem Interview mit der Berliner Morgenpost nahm sie Platzeck in Schutz und ermahnte Wowereit & Co.: Diese „sollten sich um ihre Arbeit kümmern“. Vogt konzentrierte sich in Stuttgart vor allem auf Attacken auf ihren Gegenspieler, Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU).

Vogt arbeitete Oettingers Schwächen ab, von seinem Ansinnen, älteren Arbeitnehmern weniger Geld zu zahlen, bis zum Rücktritt von Sozialminister Andreas Renner und dem im Stuttgarter Innenministerium gebastelten Einbürgerungsleitfaden für Muslime. Vogt erinnerte an Oettingers Vorstellung, Ganztagsschulen mit ehrenamtlichen Helfern zu betreuen und an seinen Ausrutscher, dass die Entlassung von 6.000 Menschen bei DaimlerChrysler ein durchaus verständliches „Fitness-Programm“ für die Wirtschaft sei.

Schwerpunkte der SPD sollen unter Ministerpräsidentin Vogt Bildungs- und Mittelstandsförderung sein. Sie versprach Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen, die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und bessere Chancen für ältere Arbeitnehmer. Mit dem Muslim-Test schüre die CDU aus wahlkampftaktischen Gründen Ressentiments, durch die „am Ende der Rechtsextremismus gestärkt“ werde. Insgesamt sei Oettingers Regierung richtungslos, behauptete Vogt. Und rief zum Schluss: „Ich bin bereit, das Steuer zu übernehmen.“

Die Delegierten feierten Vogt so begeistert, als seien die Querelen vom letzten Jahr vergessen, als sie zum Verdruss der Parteibasis den Sturz des damaligen Bundesvorsitzenden Franz Müntefering mitverursacht hatte. Entschuldigung angenommen, schien es. Ute, hatte einer sich aufs Hemd gedruckt, sei sein „Idol“, ein anderer forderte „Mut mit Ute“. Mut, hatte eine neue Umfrage von Infratest dimap ergeben, ist auch bitter nötig.

Die SPD sackte von 33,3 Prozent bei den Landtagswahlen 2001, als Vogt gegen den biederen Exministerpräsidenten Erwin Teufel antrat, auf 29 Prozent ab. Die CDU dagegen liegt, leicht verbessert, bei knapp 45 Prozent.

Vogt, insgesamt rhetorisch modulierter, hochdeutscher und inhaltlich ausgewogener als im Wahlkampf 2001, verzichtete in ihrer Rede völlig auf einen Verweis auf die Bundespolitik. Gastredner Platzeck ging auf die gesunkenen Umfragewerte der Bundes-SPD und die Kritik an seinem Führungsstil nur indirekt ein. Er sagte, in der Berliner großen Koalition sei es Kanzlerin Angela Merkel bisher leicht gefallen, beliebt zu sein. Die CDU aber solle nicht meinen, dass sie es sich „auf dem Sonnendeck bequem machen“ könne, „während sie denkt, dass die SPD im Maschinenraum arbeitet“.

Seine Laudatio auf Vogt klang ambivalent. Sie verkörpere „einen neuen Stil“, sei „auch mal angreifbar, aber immer greifbar“, „gradlinig, modern, professionell, aber auch frohgemut“. Mit altväterlich sanftem Charme empfahl er sie als eine, „die den Frauen Mut“ mache, den Männern aber zeige, „das Gleichberechtigung nicht wehtut“.

Den baden-württembergischen Genossen versprach er den vollen Wahlkampfeinsatz der gesamten Parteiführung.

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