Das Selbstbild der Dänen ist gestört

Die Ausschreitungen in Syrien und im Libanon verstören Dänemark. Gemäßigte Muslime organisieren sich

„Die Imame sprechen doch nur für eine ganz kleine Minderheit von dänischen Muslimen“

KOPENHAGEN taz ■ In Brand gesteckte diplomatische Vertretungen und brennende oder als Fußabstreifer benutzte Nationalflaggen: Die Dänen sind geschockt. Ihr Selbstbild ist ins Wanken geraten. Die Hälfte der Bevölkerung wünscht jetzt laut Umfragen eine Entschuldigung ihrer Regierung für die „Propheten-Karikaturen“, um eine weitere Eskalation zu stoppen.

Gleichzeitig wird eine deutliche Polarisierung sichtbar. Die ausländerfeindliche Dänische Volkspartei, die gleich mit einem populistischen „Imame raus!“ reagierte, kann mit 15 Prozent den höchsten Zustimmungslevel seit 5 Jahren verbuchen. Eine Demonstration der Dänischen Front, auf der im Vorfeld eine Koranverbrennung angekündigt worden war, erwies sich als Treffen von gerade mal 30 Neonazis. Die keinen Koran dabei hatten, denen es aber mit ihrer Ankündigung gelang, die zehnfache Anzahl von GegendemonstrantInnen auf den Plan zu rufen. Resultat eines Versuchs der Polizei, die beiden Gruppen zu trennen: 160 zeitweise Festnahmen.

Etwa zur selben Zeit hatten sich in einem Saal des Parlamentsgebäudes etwa 200 Menschen versammelt, um ein neues Netzwerk moderater Muslime zu gründen. „Die Imame sprechen doch nur für eine ganz kleine Minderheit von dänischen Muslimen und ganz bestimmt nicht für uns“, begründete einer der Initiatoren, der aus Syrien stammende Abgeordnete der linksliberalen Radikale Venstre, Naser Khader, den Versuch, ein Gegengewicht gegen die „Islamische Glaubensvereinigung“ zu schaffen.

Der seriöse Teil der dänischen Medien hielt sich trotz der dramatischen Bilder aus Nahost deutlich mit überzogenen Reaktionen zurück. Die Unruhen wurden als einzelne Vorkommnisse bewertet, die nicht eine durchgängige Stimmung in der islamischen Welt widerspiegelten. Mit einem aggressiven Kommentar fiel allein die nunmehr weltberühmte Jyllands-Posten auf. Sie warf der Konkurrenz Feigheit vor, weil sich diese nicht mit ihr durch Veröffentlichung der Karikaturen solidarisieren wolle. Was die im gleichen Konzern erscheinende liberale Politiken mit der Frage konterte, ob dem Blatt denn nicht reiche, was es mit seinem unbedachten „kleinen Happening“ angestellt habe. REINHARD WOLFF