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Archiv-Artikel

Deutscher werden – nur auf Bewährung

Der Einbürgerungstest in Baden-Württemberg erleichtert die Rücknahme der deutschen Staatsangehörigkeit. Die Protokolle werden lebenslang aufbewahrt – und können unbefristet zum Nachweis einer Täuschung benutzt werden

Wer sich als toleranter Muslim darstellt, dann aber als Fundamentalist entpuppt …… der könnte später die deutsche Staatsbürgerschaft rasch wieder verlieren

FREIBURG taz ■ „Ich werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass unwahre Angaben als Täuschung der Einbürgerungsbehörde gewertet werden und – auch noch nach Jahren – zur Rücknahme der Einbürgerung führen können, selbst wenn ich dadurch staatenlos werden sollte.“ Diesen Text muss jeder einbürgerungswillige Ausländer unterschreiben, mit dem anhand des Stuttgarter Gesprächsleitfadens über sein Bekenntnis zum Grundgesetz gesprochen wird.

Ausländer, die in Baden-Württemberg eingebürgert werden, müssen im Zweifelsfall also nicht nur einen besonderen Test absolvieren, ihre Einbürgerung kann später auch leichter wieder rückgängig gemacht werden. Wie Recherchen der taz ergaben, wird das Testergebnis bis zum Tod des Eingebürgerten aufbewahrt und kann nach derzeitiger Gesetzeslage unbefristet zum Nachweis einer Täuschung benutzt werden.

Von jedem Leitfaden-Gespräch wird ein Protokoll angefertigt, dessen inhaltliche Richtigkeit der geprüfte Ausländer am Ende per Unterschrift bestätigt. Dieses Protokoll kommt dann in die Einbürgerungsakte, die „unbefristet aufzubewahren“ ist, wie es in einer Verwaltungsvorschrift des Bundesinnenministeriums vom 21. 12. 2004 heißt. Dass die Akte dauerhaft zur Verfügung bleibt, war schon immer so und liegt eigentlich im Interesse des Eingebürgerten. „Wer seine Einbürgerungsurkunde verloren hat, ist froh, wenn auf der Behörde die Akten noch vorhanden sind“, so Walter Rubsamen, der Leiter des Freiburger Ordnungsamtes.

Doch die Speicherung des Testprotokolls hat vor allem Nachteile. Wer sich im Test als toleranter Muslim darstellt, später aber als Fundamentalist entpuppt, könnte die Staatsbürgerschaft rasch wieder verlieren. Zwar heißt es im Grundgesetz: „Die deutsche Staatsbürgerschaft darf nicht entzogen werden.“ Dies gilt laut Rechtsprechung aber nicht für eine durch Täuschung erschlichene Einbürgerung. Faktisch bleibt der Eingebürgerte bis zum Tod ein Staatsbürger zweiter Klasse, da die Rücknahme eines „rechtswidrigen Verwaltungsaktes“ laut Verwaltungsverfahrensgesetz unbefristet möglich ist. Sobald er politisch oder strafrechtlich auffällig wird, kann man anhand der Einbürgerungsakten eine Täuschung konstruieren, die Einbürgerung zurücknehmen und den unliebsamen Mitbürger abschieben – was mit Deut- schen natürlich nicht möglich wäre.

Das Stuttgarter Innenministerium weist darauf hin, dass die Rücknahme der Staatsbürgerschaft bisher äußerst selten sei. „Ganze vier Fälle gab es von 2002 bis Oktober 2005 im Land, bundesweit waren es auch nur 84“, betont der zuständige Referatsleiter Rainer Grell. Doch von seinem Chef, Innenminister Heribert Rech (CDU), ist bekannt, dass er nach neuen Wegen sucht, eingebürgerte Ausländer bei Bedarf wieder loszuwerden. Im September 2005 war sein Vorschlag bekannt geworden, Neudeutschen den Pass wieder abzunehmen, wenn sie „bestimmte, gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Verfehlungen begangen haben“. Zwar lehnten selbst die übrigen von der CDU/CSU gestellten Innenminister diese „Gedankenskizze“ aus verfassungsrechtlichen Gründen ab. Doch um so nahe liegender ist nun, dass Rech sein Ziel mit Hilfe der Leitfaden-Protokolle zu erreichen versucht.

Möglicherweise wird aber schon bald das Bundesverfassungsgericht Grenzen für die Rücknahme der Staatsbürgerschaft aufzeigen. In einem ähnlichen Fall – ein Exnigerianer hatte eine gefälschte Verdienstbescheinigung vorgelegt – kritisierten die Richter bei der mündlichen Verhandlung im November, dass der Verlust der Staatsbürgerschaft faktisch unbefristet möglich ist. Das Urteil wird für März erwartet.

CHRISTIAN RATH