: Daten von Offshore-Leaks jetzt offen für alle
HINTERZIEHUNG Die Internationale Journa-listenvereinigung ICIJ stellt riesige Datenbank zu globaler Steuerflucht online. Der Weg ist umstritten
HAMBURG taz | So verdammt sexy, diese Steuerflüchtlinge – dank einer neuen Datenbank zu globaler Steuerflucht können weltweit Menschen seit Samstag prüfen, ob ihr Nachbar vielleicht im Verdacht steht, mit dubiosen Trusts in Steueroasen die heimische Staatskasse zu erleichtern. Mit der nun online gestellten Suchmaschine werden Teile des Rohmaterials aufbereitet, mit dem zuvor JournalistInnen in aller Welt über Monate gemeinsam recherchiert hatten, wie die globale Ökonomie der Steuerhinterziehung organisiert ist.
Bekannt wurde das Projekt unter dem Stichwort „Offshore-Leaks“. Der Direktor des Internationalen Konsortiums für Investigativen Journalismus (ICIJ) mit Sitz in Washington, Gerard Ryle, stellte die neue Suchmaschine am Samstag bei einer Journalistentagung des Netzwerks Recherche in Hamburg vor. Mit der Datenbank, die im Netz unter offshoreleaks.icij.org zu finden ist, können Geschäftsverflechtungen visualisiert werden, die Rückschlüsse darauf zulassen, welche Personen welche Trusts verantworten und wie die Firmengeflechte organisiert sind.
Ryle sagte, er erhoffe sich davon weitere Hinweise von WirtschaftsjournalistInnen und einer globalen kritischen Öffentlichkeit. Die Ressourcen der bisher beteiligten JournalistInnen reichten für eine vollständige Erschließung der Daten nicht aus.
Die Offenlegung des Materials im Internet ist allerdings auch unter den beteiligten Redaktionen nicht unumstritten. Der Redakteur Bastian Obermayer, der für die Süddeutsche Zeitung maßgeblich an der Aufbereitung beteiligt war, sagte in Hamburg: „In der Datenbank tauchen auch viele Personen auf, denen bei unseren Recherchen sonst nichts weiter nachzuweisen war. Wir befürchten, dass hier Menschen vorverurteilt werden könnten, allein weil sie in Zusammenhang mit Offshore-Leaks gebracht werden.“ Die Zeitung hat sich daher nicht an der Veröffentlichung der Rohdaten beteiligt.
Wie ergiebig der Datensatz für eine zweite, nun öffentliche Auswertungsrunde ist, wird sich tatsächlich erst zeigen müssen. Der deutsche Datenjournalist Sebastian Mondial, der wesentlich an der Aufbereitung der Daten beteiligt war, sagte, man habe in automatisierten Suchläufen bereits rund 20.000 Namen und Begriffe durch die Datensätze laufen lassen – dafür ist im Hinblick auf deutsche Beteiligte bislang verhältnismäßig wenig enorm Brisantes veröffentlicht worden. Offenbar sind die Bezugspunkte zu Deutschland in dem Datensatz relativ begrenzt. Hinweise auf tricksende Nachbarn zu finden, ist darum doch eher unwahrscheinlich. MARTIN KAUL
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