Lippstadt unter Strom

Die Stadtwerke Lippstadt haben für ihr Stromnetz zu viel Geld bezahlt und verklagen deshalb den RWE-Konzern

Die Stadtwerke Lippstadt sind eine Ausnahme unter den kommunalen Unternehmen Nordrhein-Westfalens. In Zeiten, wo die Stadtwerke ihre lokalen Stromnetze reihenweise an die großen Energieversorger veräußerten, gingen die Westfalen den umgekehrten Weg. Am 1. Januar 1995 übernahmen sie das kommunale Stromnetz von den damaligen Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW). Umgerechnet 43 Millionen Euro ließen sich die Lippstädter den Spaß kosten – unter Vorbehalt einer höchstrichterlichen Entscheidung. Heute, elf Jahre später, will der Bundesgerichtshof in Karlsruhe endgültig über die Klage der Stadtwerke gegen den Kaufpreis entscheiden.

Die Stadtwerke betraten mit der Stromversorgung Neuland. Eine Vorgehensweise, die auch der Bund der Energieverbraucher unterstützt: „Die Kunden müssen im Regelfall den doppelten Preis zahlen – an die Stadtwerke und an die Energieversorger“, sagt Verbraucherbund-Sprecher Aribert Peters. „Die vier Riesen (RWE, Eon, EnBW und MVV, Anm. d. Red.) bestimmen den Strommarkt und somit auch die Preise“, so Peters.

Im September 2004 entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass der Essener Energiekonzern RWE, der die VEW vor fünf Jahren übernahm, die Summe von knapp zehn Millionen Euro, plus sechs Millionen Euro Zinsen an die Stadtwerke zurückzahlen müsse. Begründung: VEW hatte den Verkaufspreis um 50 Prozent zu hoch angesetzt. Über eine Klage auf weitere zehn Millionen Euro verhandelt nun seit gestern der Bundesgerichtshof.

„Das Geld steht unseren Kunden zu“, sagte Stadtwerkechef Siegried Müller nach dem ersten Urteil. Die Kosten für die Verbraucher in Lippstadt liegen weit unter dem Bundesdurchschnitt. Im Zeitraum von 1999 bis 2004 zahlten sie bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 4.500 Kilowattstunden Strom, 2.500 Kubikmetern Gas und 192 Kubikmetern Wasser insgesamt 2.500 Euro weniger als Kunden von RWE und Gelsenwasser.

Am 28. März 2003 hatten die Stadtwerke Lippstadt außerdem Beschwerde gegen die Netznutzungsentgelte der RWE-Tochter RWE Net AG eingereicht. Die Stadtwerke bezogen sich auf einen Beschluss des Bundeskartellamtes zur Fusion von RWE/VEW. Die Behörde hatte ihre Genehmigung davon abhängig gemacht, dass die Versorger die Energiekosten senken. Eine Entscheidung steht noch aus.

HOLGER PAULER