: Blinde Urlaubssperre
Bremens Behindertenbeauftragter darf nicht ins Allgäu fahren, weil Wandern dort „zu gefährlich“ für ihn sei
Bremen taz ■ Eigentlich ist es seine Aufgabe, die Diskriminierung anderer Behinderter zu bekämpfen. Doch jetzt wurde Bremens Landesbehindertenbeauftragter Joachim Steinbrück selbst zum Opfer. Und darf nicht zum Fastenurlaub nach Bayern fahren.
Ursprünglich wollte der blinde Arbeitsrichter – gemeinsam mit seiner Ehefrau – auf dem „Bachenhof“ einen Kurs buchen, um dort zu fasten und nebenbei das Allgäu zu erwandern. Doch daraus wird nun nichts. Ein Versicherungsvertreter, sagt der bayerische Kursleiter, habe den Steinbrücks von der Reise „abgeraten“. Begründung: Wegen des „unwegsamen Geländes“ im Allgäu sei die Landschaft für blinde Menschen als „zu gefährlich“ anzusehen.
Genau daran zweifelt Steinbrück allerdings. Denn der Reiseveranstalter „Neue Wege“ spricht auf seiner Internetseite von einer „sanften Hügellandschaft“. Und weiter: „Alle Wanderungen sind so gewählt, dass auch weniger Geübte sie gut bewältigen können.“
Dabei sind die Steinbrücks keineswegs ungeübt. Bereits mehrfach hätten sie Wander- und Fastenurlaube verbracht, sagt der Behindertenbeauftragte, der seit seinem 15. Lebensjahr blind ist – und nie habe es Probleme gegeben. „Die wollten uns bloß abwimmeln“, glaubt Steinbrück. Er selbst jedenfalls habe sich die Wanderungen durchaus zugetraut. Dennoch wird er jetzt nicht mehr ins Allgäu fahren: „Ich habe es aufgegeben.“
Dabei sei der Vorfall nur ein Beispiel von vielen, glaubt Steinbrück. Solche Diskriminierungen seien eine „ganz alltägliche“ Freizeiterfahrung vieler Behinderter. In Berlin etwa, erzählt der Landesbehindertenbeauftragte, habe kürzlich ein Mann im Rollstuhl am Wochenende die Sauna nicht betreten dürfen – weil dies den anderen Gästen angeblich nicht zuzumuten sei.
Steinbrück hofft nun auf das Antidiskriminierungsgesetz, das derzeit im Deutschen Bundestag beraten wird. Die EU verpflichtet Deutschland nämlich, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden. Allerdings sind sich die Koalitionsparteien uneinig, ob die Richtlinie aus Brüssel eins zu eins umgesetzt werden soll oder nicht. Denn die EU verlangt zwar einen zivilrechtlichen Schutz vor Diskriminierungen wegen der „Rasse“ oder der ethnischen Herkunft – nicht aber bei solchen wegen einer Behinderung. mnz