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Archiv-Artikel

BVG ist Lokalpatriot

Bitte innerstädtisch fahren: Warum Besitzer von Sozialtickets für Fahrten ins Umland draufzahlen

Die Grundidee des Sozialtickets klingt toll: Arme Menschen sollen durch verbilligte Bus- und Bahnfahrten am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, so die Theorie. Wie genau die Teilhabe aber aussieht, haben BVG und S-Bahn eigenwillig definiert – ein Waldspaziergang im Umland gehört zum Beispiel nicht dazu.

Eine Anfrage der grünen Verkehrsfachfrau Claudia Hämmerling an die Sozialverwaltung macht jetzt auf ein interessantes Detail aufmerksam: Sozialticket-Besitzer seien nicht berechtigt, einen Anschlussfahrschein für den Teilbereich C zu lösen, heißt es in der Antwort der Behörde.

Die rund 100.000 NutzerInnen haben sich also gefälligst im Stadtgebiet – also in den Bereichen A und B – zu tummeln. Wer zum Badesee im Umland will, muss einen Einzelfahrschein BC lösen, der satte 2,30 Euro kostet. Ein Anschlussfahrschein, den Besitzer einer Monatskarte kaufen könnten, ist für 1,30 Euro zu haben. „Arbeitslosengeld-II- und Sozialhilfe-Empfänger werden so als BürgerInnen dritter Klasse behandelt“, sagt die Grüne Hämmerling. Umlandfahrten durch Hürden zu erschweren, gehe an der Lebensrealität der Betroffenen vorbei.

Doch die Sozialticket-NutzerInnen – 83 Prozent von ihnen beziehen das Arbeitslosengeld II – müssen sich wohl damit abfinden, dass der Ausflug in die Umgebung teuer bleibt: Der Senat schießt 2006 und 2007 je 5,5 Millionen Euro zu – mehr ist nicht drin, heißt es. Im Übrigen bietet die Stadt aus Sicht der Sozialverwaltung ja alles: Durch die Gültigkeit des Tickets in den Bereichen A und B ist der „notwendige Bedarf an Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben umfassend abgedeckt“, steht in dem Papier.

Und BVG und S-Bahn? Die Betriebe würden die Sozialticket-Idee am liebsten tief im märkischen Sand begraben, weil sie für sie ein Verlustgeschäft ist. Erst auf Druck des Senats erklärten sie sich im November dazu bereit, das Ticket ab 2006 zu einem Preis von 33,50 Euro anzubieten. Zum Vergleich: Die Monatskarte kostet 67 Euro. „Das Sozialticket ist eine Sonderlösung und nicht in die Tarifstruktur eingepflegt“, sagt BVG-Sprecher Klaus Wazlak. „Die üblichen Möglichkeiten gelten deshalb nicht.“ U. SCHULTE