: Fabelhafte Variabilität und auffällige Abgeklärtheit
U 21-EM Auch bei den Fußballjunioren treffen die Italiener im Finale auf die übermächtigen Spanier
JERUSALEM taz | Wenn es darum geht zu erklären, was er am Dienstagabend vorhat, dann hat Devis Mangia, der Trainer der italienischen Juniorennationalmannschaft, ein Problem: Der Terminkalender sieht für 21.30 Uhr ein Treffen im Finale der U 21-Europameisterschaft mit den Spaniern vor, doch wie er die neunzig Minuten zu gestalten gedenkt, das bleibt einstweilen sein Geheimnis: „Wir treffen uns in einem Finale, und so ein Spiel beginnt bei einem 0:0.“
Das ist ein recht pragmatischer Ansatz für einen Mann, der mit seinem Team für eine der Überraschungen des Turniers gesorgt hat: Er hat die Niederländer rausgeworfen, den selbst erklärten Favoriten. Doch wie soll er diesen Spaniern beikommen? Mangia überlegte – und entschied sich dann für Bewunderung: „Sie machen einfach seit Jahren die beste Arbeit im Nachwuchsbereich, Das, was wir hier sehen, ist das Ergebnis davon. Und jedes Kompliment, das sie kriegen, das verdienen sie auch.“
Es kommt also zu einer Neuauflage des letztjährigen Finales bei der EM – nur einen Jahrgang jünger. Doch die spanische Jugend wirkt noch dominanter als das A-Team im letzten Jahr bei der EM. 8:0 Tore bei vier Siegen, deren Ergebnis nicht immer die Überlegenheit des Teams spiegelte. Beim 3:0 im Halbfinale wehrten sich die Norweger zwar wacker, waren aber durchweg überfordert, genauso wie die Deutschen, die beim 0:1 im Gruppenspiel gut bedient waren. Die Auftritte von Isco lassen bei Spaniens Anhang die Hoffnung keimen, dass sich hier ein Nachfolger des großen Andres Iniesta gefunden hat. Dank seiner Erfahrung, die er mit Malaga in der Champions League sammeln konnte, präsentiert sich Isco erstaunlich abgeklärt – und mit ihm das Team, dass in Cristian Tello, Thiago Alcantara (beide Barcelona) und Reals Alvaro Morata seine besten Kräfte hat. Vor allem aber Morata, der Joker, verblüfft. Mit vier Toren ist er bester Goalgetter des Turniers, und seine Quote aus der U 19 hat er noch gesteigert. Da schoss er in 13 Spielen 11 Tore.
Ist da das Finale nicht schon eine sichere Sache? Nominell sind die Italiener das schwächere Team. Das spielt ein Stürmer (Immobile), der seinen Namen in den meisten Spielen gerecht wurde, ein stürmender Spielgestalter (Napolis Lorenzo Insigne), der bei aller Brillanz mitunter vergisst, dass es den einen oder anderen Nebenmann gibt, und eine Abwehr, die manchmal zu spät kommt. Die freundliche Umschreibung für den Zustand der italienischen Elf lautet: Gegen starke Gegner fehlt es manchmal an der Kondition, um die überlegene fußballtaktische Ausbildung der Squadra-Artisten zum Tragen zu bringen. Unfreundlich formuliert: Italiens Fußball hängt athletisch hinterher. Schon im letzten Jahr war das Manko bei der A-Nationalelf offensichtlich, als die Italiener im Finale den Spaniern mit 0:4 unterlagen.
Doch beim U 21-Halbfinale gegen die Holländer zeigten sich die Italiener in der zweiten Hälfte noch von einer anderen Seite: Da war eine fabelhafte Variabilität – und sie waren clever genug, sich die Reserven einzuteilen. Die Italiener zogen wieder verdient mit 1:0 ins Finale ein. Dort wollen sie es besser machen als ihre Altvorderen in letzten Jahr.
STEFAN OSTERHAUS