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Archiv-Artikel

Farbattacke auf das Moos

ISLAND Kunstaktion oder „Naturterrorismus“?

Im Mai hatten Beamte der isländischen Naturschutzbehörde „Umhverfisstofnun“ das Wort „Crater“ entdeckt, das jemand mit Ölfarbe in meterhohen Buchstaben an den Rand eines unter Naturschutz stehenden Vulkans im Norden der Insel gemalt hatte. Dann fand man mit „Moos“ weiß besprühtes Moos, in einer Höhle war „Cave“ an die Wand gepinselt worden und auf einen Felsen ein großes „Lava“.

Wie es der Zufall will, sichtete der isländische Künstler Hlynur Hallsson wenig später auf Berlinbesuch Fotos der fraglichen „Tatorte“: „Crater“, „Moos“ und „Lava“ waren Bestandteil einer Ausstellung, für die der Berliner Künstler Julius von Bismarck verantwortlich zeichnete.

„Ich finde Kunstwerke, die die Natur zerstören, nicht gut“, beschrieb Hallsson seine Reaktion: „Vor allem, wenn man dazu Farbe nimmt, die nicht beim nächsten Regen verschwindet.“ Für ihn sei das „unnötige und offensichtliche Zerstörung der Umwelt“. „Umweltzerstörung“ lautet auch der Straftatbestand, aufgrund dessen die isländische Polizei mittlerweile ermittelt. Medien brauchen es griffiger und schreiben von „Naturterrorismus“. Und als „Naturterrorist“ sah sich von Bismarck nach der Entdeckung der Fotos auf seiner Ausstellung schnell öffentlich angeklagt.

Er sei es nicht gewesen, beteuert der Künstler, könne es auch gar nicht gewesen sein, weil er zuletzt 2010 in Island war. „Verschiedene anonyme Künstler“ stünden hinter der Aktion, er habe sie „zu keiner Zeit kontrolliert“ und keinen Auftrag erteilt.

Wahrscheinlich hätten die Akteure keinerlei Vorstellung davon gehabt, wie langlebig Eingriffe dieser Art in der isländischen Natur seien, meint Bergthora Kristjánsdóttir, Mitarbeiterin der Umweltbehörde: „Moos wächst dort einen Millimeter pro Jahr. Man hat also in wenigen Sekunden zerstört, wozu die Natur Jahre braucht.“

Über einen „Fliegenschiss“ rege man sich auf, empört sich dagegen der isländische Autor und Künstler Sjón. Die Politiker des Landes hätten in den letzten Jahren „große Teile der Natur mit Tonnen von Zement vollgeschrieben“. So mit dem Bau des Kárahnjúkar-Kraftwerks, eines der größten europäischen Wasserkraftwerke, wo riesige Naturflächen dem Energiebedarf der Aluminiumindustrie geopfert worden seien.

Der zuständige Polizeichef von Húsavík kündigte an, man wolle von Bismarck vernehmen lassen. Die Strafandrohung für „Umweltzerstörung“ lautet bis zu zwei, in schweren Fällen bis zu vier Jahre Haft. REINHARD WOLFF