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Archiv-Artikel

Tauwetter zwischen Berlin und Havanna angesagt

KUBA Nach zehn Jahren Eiszeit war ein ranghoher Vertreter des Entwicklungsministeriums in Kuba

HAVANNA/BERLIN taz | Miguel Ángel Salcines deutet auf die neuen Setzlinge, die im Schatten einer winddurchlässigen Textilplane prächtig gedeihen. Saatgut ist knapp in Kuba, und im „Vivero Alamar“ werden sie en Gros gezogen. „Setzlinge, Saatgut, Zierpflanzen und rund 400 Tonnen an Lebensmitteln produzieren wir hier“, erklärt Salcines. Der hat Mitte der 1990er Jahre seinen Schreibtisch im Agrarministerium gemeinsam mit vier Kollegen gegen die Arbeit auf dem Feld getauscht und eine kleine Genossenschaft gegründet. Heute arbeiten fast 200 Menschen auf der rund elf Hektar großen Anbaufläche zwischen den in Pastellfarben gestrichenen Plattenbauten von Alamar.

Die Agrarkooperative auf der anderen Seite der Bucht von Havanna ist ein Vorzeigeprojekt deutscher Entwicklungshilfe, denn mit Saatgut, Setzlingen, zwei großen Treibhäusern, viel Arbeitsmaterial und ein bisschen Bargeld wurde das Projekt 1997 von der Welthungerhilfe angeschoben. Längst tragen sich die Genossen selbst, machen stattliche Gewinne und zahlen sich Löhne aus, die ein würdevolles Leben in Kuba garantieren. Ein Modell, das für andere Städte und Regionen der Insel durchaus attraktiv wäre. Doch in Kuba fehlt es meist an der Anschubfinanzierung, und selbst einfachste Equipment wie Gummistiefel, Spaten und Schaufeln müssen oft importiert werden.

Quasi ideale Ansatzpunkte für die Entwicklungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Kuba. Doch die liegt seit zehn Jahren auf Eis, und mit dem Besuch von Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz aus dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) könnte sich daran etwas ändern. Beerfeltz hat Anfang Juni für die Wiederaufnahme der Entwicklungskooperation in Havanna geworben. 2003 hatte die EU nach der Verurteilung von 75 kubanischen Dissidenten zu langen Haftstrafen angekündigt, die Zusammenarbeit zu reduzieren. Daraufhin setzte Havanna die Entwicklungskooperation mit der EU und ihren Mitgliedsländern ganz aus. Zwar fließt seit 2008 wieder EU-Entwicklungshilfe, aber bilaterale Zusammenarbeit von Seiten Berlins gibt es noch immer nicht. Dabei sind die Ansatzpunkte für Kreditprogramme im Dienstleistungs- wie Agrarsektor laut kubanischen Sozialwissenschaftlern vom Studienzentrum der kubanischen Wirtschaft (CEEC) überaus gut. Das sieht das Entwicklungsministerium genauso. Dort wirbt man für die Verbesserung des Investitionsklimas auf der Insel und mehr Privatwirtschaft. Während die Kubaner jedoch die Strukturen der Kooperation vorab geklärt sehen wollen, setzt Berlin auf die schnelle Wiederaufnahme der Kooperation.

Das ist auch im Interesse der deutschen Wirtschaft, die in Havanna derzeit wenig Anknüpfungspunkte sieht. Eine geplante Delegationsreise von Vertretern aus Politik und Wirtschaft Ende Mai nach Havanna wurde ersatzlos gestrichen. Außer Kosten sei wenig zu erwarten, so die einhellige Analyse. KNUT HENKEL