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Archiv-Artikel

Fünf Jahre Haft für K.-o.-Tropfen-Täter

Prozess Landgericht verurteilt den SPD-Politiker Frank S. und einen Komplizen wegen sexueller Nötigung

Von EIB
„Ihm fehlen Stunden seines Lebens“

Richterin Monika Schaefer

Zu jeweils fünf Jahren Freiheitsstrafe wegen gemeinschaftlich begangener sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilte das Bremer Landgericht gestern den ehemaligen Bremer SPD-Funktionär Frank S. und dessen Freund Daniel G. aus Nürnberg.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Männer am Morgen des 14. Oktober 2012 einem damals 20-Jährigen die als „K.-o.-Tropfen“ bekannte Substanz GHB gaben – in der Absicht ihn bewusstlos sexuell zu missbrauchen. Anders als die Staatsanwaltschaft ging das Gericht nicht davon aus, dass sie den Tod des jungen Mannes billigend in Kauf genommen hatten. Daher blieb es unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß von acht Jahren. Zu ihrem Vorteil rechnete das Gericht den Männern an, dass sie nach dessen Einschätzung die Tat nicht geplant hatten. Zudem hätten sie ihrem bewusstlosen Opfer vermutlich das Leben gerettet, indem sie nach telefonischer Anweisung eine Herzdruck-Massage durchführten. Und: „Die sexuellen Handlungen haben in einem niederschwelligen Bereich stattgefunden“, sagte die vorsitzende Richtern Monika Schaefer.

Doch was genau an dem Morgen mit ihm geschah, darüber muss der junge Mann, der dem Prozess als Nebenkläger beiwohnte, weiter spekulieren. Frank S. und Daniel G. hatten sexuelle Handlungen abgestritten und DNA-Spuren von ihnen am Penis ihres Opfers damit erklärt, sie hätten nachsehen wollen, ob sich darunter eine Verletzung befand. Diese und weitere Erklärungen wertete das Gericht als unglaubwürdig und konstruiert, „als Anpassungen an Beweisergebnisse“, wie Richterin Schaefer sagte. Für nicht plausibel hielt sie die Erklärungen der beiden, genervt und gelangweilt von dem Opfer und dessen Begleiter, einem Schulfreund, gewesen zu sein, die sie zufällig im Hauptbahnhof getroffen hatten.

Gleichzeitig hätte ihnen etwas daran gelegen, mit den beiden wesentlich jüngeren Männern in Kontakt zu bleiben. Dafür spräche das Angebot noch mit in die Wohnung von Frank S. zu kommen. Wann genau der Plan gefasst wurde, dem Opfer, das am Ende alleine mit den beiden Männern war, die K.-o.-Tropfen zu geben, darüber könne keine Aussage getroffen werden, so die Richterin. Kein Zweifel bestehe aber daran, dass der junge Mann es in der Wohnung bekommen habe und nur Frank S. und Daniel G. als Täter in Betracht kämen.

Nicht ausschließen wollte das Gericht, dass das Opfer zwischendurch aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte und die Täter ihm weitere K.-o.-Tropfen gaben, um ihn wieder zu betäuben. In jedem Fall sei noch Stunden später eine Konzentration des Wirkstoffs in seinem Blut entdeckt worden, an der schon Menschen gestorben seien, sagte die Richterin. Dass überhaupt auf K.-o.-Tropfen untersucht wurde, lag daran, dass der Vater des Opfers Kriminalpolizist ist und auf entsprechende Untersuchungen drängte. „Sonst gäbe es dieses Verfahren hier überhaupt nicht“, sagte Richterin Schaefer. Vergewaltigung und sexuelle Nötigung nach Verabreichung von K.-o.-Tropfen landen selten vor Gericht, weil die Opfer sich an nichts erinnern können.

Wie sich solche Taten auf Opfer auswirken können, schilderte Richterin Schaefer gestern. Aus Zeugenbefragungen habe sich ergeben, dass der damals 20-Jährige vor der Tat ein „kontaktfreudiger und offener junger Mann“ gewesen sei, der am Tattag das zweijährige Jubiläum mit seiner Freundin hatte feiern wollen. Die Tat habe seine Persönlichkeit verändert, so Schaefer. Er habe sein gerade begonnenes Studium abgebrochen und sich von Freunden zurückgezogen. „Er wird Probleme habe, Vertrauen aufzubauen“, sagte sie, nachdem sein Vertrauen durch Frank S., den er flüchtig kannte und Daniel G. ausgenutzt wurde. Und: „Ihm fehlen einige Stunden seines Lebens.“ Die beiden Täter entschieden sich dafür, sie ihm nicht durch ein Geständnis ansatzweise zurückzugeben. Daniel G. saß während der anderthalb Stunden Urteilsverkündung reglos da. Frank S., der sich Notizen machte und interessiert zuhörte, versuchte erfolglos, zwischendurch mit ihm zu reden. Sie können das Urteil anfechten.  EIB