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Archiv-Artikel

Codename „Scarface“

BOULEVARD Sie nennen es Recherche: Die „Bunte“ soll Politiker ausspioniert haben. Verlag dementiert

Von STG

„Ihre Hochzeit sei Privatsache, ließ die Familienministerin wissen. Hoppla, wenn sie sich da mal nicht täuscht!“, schreibt Chefredakteurin Patricia Riekel vor exakt einer Woche in der Bunten. Dass sich Kristina Schröder (geb. Köhler) derart ziert, mag die Bunte-Chefin gar nicht: „Es wäre eine schöne Gelegenheit gewesen, die flotte Neu-Ministerin, die als Hardlinerin gilt, in einem menschlichen Moment zu erleben. Sie ließ es nicht zu, obwohl sie die Macht der Selbstinszenierung zu schätzen weiß“, so Riekel weiter.

Wie die zum Pressereich von Hubert Burda gehörende Bunte mit Menschen umgeht, die sich im Riekel’schen Sinne ebenfalls täuschen, wen ihre Privatangelegenheiten etwas angehen, zeigt heute der Stern: Für eine knappe Viertelmillion Euro im Jahr beauftragte Bunte Agenturen wie die Berliner CMK mit heiklen „Recherchen“ vor den Haustüren von Politpromis wie Oskar Lafontaine, Horst Seehofer und Franz Müntefering. Nur dass es hier nicht um die große Politik, sondern die neusten Liebschaften bzw. Gerüchte darüber ging.

Dass sich der vermeintlich strahlende People-Journalismus sich mindestens so rüder Methoden wie der nackte Boulevard bedient, wenn das Scheckbuch nicht mehr weiterhilft, ist zwar ein alter Hut. Die Stern-Geschichte – ehemalige CMKler packen aus – liest sich dabei wie ein schlechter Agententhriller: Da wird tagelang vor Privatwohnungen herumgelungert, im Zug mitgefahren, Nachbarn ausgefragt. Die Protokolle sprechen von Zielpersonen und „Observation“, geben Lafontaine den Codename „Scarface“. Auch klar verbotene Recherchemethoden wie Manipulation am Briefkasten fanden im Fall Müntefering statt, bei Lafontaine soll der Einsatz einer Videokamera zumindest geplant worden sein, so der Stern.

Im Fall Münte kam das Blatt zum ersehnten Abschuss: Im Mai 2009 gibt es in Bunte erste Fotos von seiner neuen Liebe Michelle Schumann. Chefredakteurin Riekel mag an der Zusammenarbeit mit CMK nichts finden: „Über unlautere Methoden ist Bunte nichts bekannt.“ In den drei Fällen habe man CMK lediglich „um eine journalistische Fotorecherche gebeten“, meldete sich gestern auch der Burda-Konzern. Es handle sich um „Verleumdung eines erfolgreichen Mitbewerbers“, man leite „juristische Schritte gegen den Stern ein“.

So steht Aussage gegen Aussage. Die CMK hat allerdings mittlerweile die Internetseiten ihres „Investigative Reporting Service“ geräumt. Hier hieß es bislang, CMK könne „bereits in der Entstehung einer brisanten Story unterstützen, um eine juristische Auseinandersetzung mit prominenten Personen im günstigsten Fall zu verhindern“. Man arbeite „von Beginn Ihrer Recherche eng mit Ihnen und Ihren Anwälten zusammen“, so CMK weiter. Das wäre bei den aufgerufenen Honoraren auch besser: Laut Stern hat CMK beim Bunte Entertainment Verlag allein 2008 rund 242.000 Euro abgerechnet, die ersten drei Monate 2009 schlugen mit 30.987 Euro zu Buche – nicht eben Summen, die sich mit normalen Fotohonoraren erklären lassen.

Am Rande taugt die Geschichte selbst für eine hübsche People-Posse: Den Ansatz für die Stern-Recherche bot eine Lafontaine-Geschichte im Focus. Den macht bekanntlich Riekels Lebensgefährte Helmut Markwort. Und der schimpfte erst jüngst wieder bei einer Gala auf die „Stalker“, die ihn angeblich im Auftrag der Süddeutschen Zeitung verfolgten …

STG