neues aus neuseeland: blutige kopfnuss von ANKE RICHTER
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Wenn das Auswärtige Amt demnächst eine internationale Reisewarnung für die südliche Hemisphäre herausgibt, dann wird sie heißen: „Vom Beiwohnen kultureller Darbietungen der Ureinwohner Neuseelands wird abgeraten – es kann zu blutigen Zwischenfällen kommen.“

Bisher drohte einem Touristen lediglich Sonnenbrand aufgrund brutaler UV-Strahlung, eine Bänderzerrung vom Bungee-Springen oder rasender Blutdruck angesichts der zwar freundlichen, aber inkompetenten Dienstleistungsindustrie, der schlimmsten Gefahrenzone überhaupt. Je weiter entfernt die nächste Großstadt – und davon gibt es im Lande gerade mal drei –, desto rapider sinkt das kulinarische Niveau sowie das Tempo, in dem kaum zu identifizierenden Esswaren serviert werden. Den Rekord hielt zuletzt ein Café im subtropischen Northland, das nach 45 Minuten ein laut Karte „vegetarisches Panini“ kredenzte, das aus zwei gegrillten Brotscheiben bestand, zwischen die ein Schlag Kartoffelbrei, zwei Scheiben Schmelzkäse und aufgeweichte Salzgurken gepresst wurden. Immerhin wurde „Panini“ richtig geschrieben.

Solche Körperverletzungen sind jedoch harmlos gegen das, was ein holländischer Besucher in einer Touristen-Veranstaltung bei Rotorua erlebte. Dort, wo die Geysire sprudeln und sich Reisebusse voller Japaner mit der Erwartungshaltung und bikulturellen Aufgeschlossenheit von Zoobesuchern durch authentisch nachgebaute Maori-Dörfer schieben, befand sich auch unser holländischer Freund. Seine Ethno-Tour führte ihn zu einer Bühne, auf der braunhäutige, halbnackte Männer in Strohröcken brüllten, klatschen und tanzten. Ein verstörender Anblick.

Wahrscheinlich hatte der Käskopp zwar schon viele Cheerleader beim Football, aber noch nie ein neuseeländisches Rugbyspiel gesehen und war daher mit dem Furcht einflößenden Haka, dem Kriegsgebrüll zum Aufwärmen, nicht vertraut. Zungeherausstrecken, Augenrollen und andere fremdländische Gesten – auf jeder Postkarte von „Roto-Vegas“ zu sehen – lösten bei dem Gast ein Unwohlsein aus, das zur Übersprungshandlung führte, nämlich höhnischem Grinsen und unkontrolliertem Kichern. Wenig amüsiert davon zeigte sich der Maori-Tänzer Richard Mitai-Ngatai. Erbost über die Missachtung seiner Traditionen stürmte er zwischen die 160 Zuschauer, packte sich den höhnischen Holländer und verpasste ihm, diesmal mit eingezogener Zunge, eine kräftige Kopfnuss. Die Methode war erfolgreich, denn der Niederländer hatte angesichts einer gebrochenen Nase und zwei blauer Augen nicht mehr viel zu lachen.

„Meine Familienehre stand auf dem Spiel“, verteidigte sich der inzwischen gefeuerte Maori-Krieger vor Gericht. Doch der Richter befand, dass ein ausländischer Tourist wohl nicht verstünde, wie heilig und ernsthaft eine Tanzzeremonie sei. Mitai-Ngatai, der seit 16 Jahren auf der Bühne stand, bekam 150 Stunden Sozialarbeit für seine Kopfnuss aufgebrummt. Angesichts der Schande hat sein „mana“, sein Ansehen, gelitten. Er hat sich selber eine Auftrittspause von einem Jahr verordnet. Vielleicht wird er auf Reisen gehen, Europa besuchen und mit versteinertem Gesichtsausdruck vor einem Holzschuhtanz verharren.