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Archiv-Artikel

Wer spricht wann und wo mit den Taliban

AFGHANISTAN Die USA wollen gern sofort mit den Rebellen verhandeln. Doch die Regierung in Kabul ist verstimmt und will Friedensgespräche vorerst boykottieren. Die Taliban können sich gelassen zurücklehnen

Die Taliban sind die stillen Nutznießer des Gerangels zwischen Karsai und den USA

VON SVEN HANSEN

BERLIN taz | Die afghanische Regierung von Präsident Hamid Karsai will sich nicht an Friedensgesprächen mit den Taliban im Golf-Emirat Katar beteiligen. Der Hohe Friedensrat werde nicht an Verhandlungen teilnehmen, solange es sich nicht um einen vollständig von Afghanen geführten Friedensprozess handele, teilte der Präsidentenpalast am Mittwoch in Kabul mit.

Die Taliban hatten am Dienstag ein Verbindungsbüro in Katars Hauptstadt Doha eröffnet. Die US-Regierung hatte daraufhin direkte Gespräche mit den Aufständischen dort angekündigt. Der afghanische Präsident Hamid Karsai besteht aber darauf, dass seine Regierung der entscheidende Verhandlungspartner der Taliban sein muss und deshalb die Gespräche möglichst bald am Hindukusch stattfinden müssen. Damit hatte Karsai den von ihm geschaffenen Hohen Friedensrat beauftragt.

Die Taliban wollten bisher gar nicht mit Vertretern Karsais reden, weil sie ihn für eine Marionette der USA halten. Während Gespräche mit den USA die Taliban aufwerten, stellten sie erstmals am Dienstag „unter Umständen“ auch Gespräche mit der afghanischen Regierung in Aussicht. Den USA ist es wichtig, überhaupt erst mal einen Gesprächsprozess einzuleiten, weshalb sie auf Karsai nur begrenzt Rücksicht nahmen.

Am Mittwoch erklärte deshalb Karsais Sprecher in der afghanischen Hauptstadt, Kabul setze ab sofort die bilateralen Verhandlungen mit den USA über ein Sicherheitsabkommen und damit über deren militärischen Verbleib in Afghanistan nach 2014 aus. Die USA wollen am Hindukusch auch nach Abzug ihrer meisten Kampftruppen Stützpunkte behalten, denn diese könnten, sollte es Konflikte mit Iran, China oder in Zentralasien geben, nützlich sein. Die Afghanen befürchten eine Einschränkung ihrer Souveränität, sind aber bis auf Weiteres auf US-Hilfe angewiesen.

„Es gibt einen Widerspruch zwischen dem, was die US-Regierung sagt, und dem, was sie im Hinblick auf die Friedensgespräche tut“, sagte Karsais Sprecher Aimal Faizi. Auch lehne Karsais Regierung die Bezeichnung „Vertretung des Emirats Afghanistan“ für das Taliban-Büro ab, weil es ein solches Emirat nicht gebe. Doch die USA hätten die afghanischen Einwände ignoriert. Im ungünstigsten Fall könnte Karsais Schritt die angekündigten Gespräche zum Scheitern bringen, bevor sie überhaupt begonnen haben. Von den USA gab es zu Karsais Erklärungen bisher keine Reaktion.

Die Taliban-Vertretung in Doha hätte eigentlich schon 2011 eröffnet werden sollen. Doch konnten sich auch die USA und die Taliban nicht einigen. Die Taliban bestanden auf der Freilassung von ihren im Lager Guantánamo einsitzenden Gefangenen. Diese blockierte jedoch der US-Kongress. Die USA wiederum bestanden darauf, dass sich die Taliban von dem Terrornetzwerk al-Qaida lossagen und die afghanische Verfassung anerkennen. Weil sich beide Seiten bewegten, die Taliban nicht mehr auf der Freilassung bestanden und die USA sich mit einer Distanzierung von al-Qaida zufriedengaben, konnte die Taliban-Vertretung eröffnet werden. Das Büro soll sowohl im Namen des Taliban-Führers Mullah Omar und seiner Quetta Shura sprechen als auch für das Hakkani-Netzwerk.

Mit dem bevorstehenden Gesprächsbeginn ist noch kein Frieden ist Sicht. Dies wurde auch in der Nacht zu Mittwoch deutlich, als in der Nähe des US-Stützpunkts Bagram nördlich von Kabul ein US-Fahrzeug von einer Rakete getroffen wurde. Dabei starben vier US-Soldaten. Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff. Am Vortag hatte die afghanische Armee erstmals die Verantwortung für die Sicherheit des ganzen Lands übernommen.