: Wo die Präsidentin singt
FOLKBALTICA Das Festival rund um die Flensburger Förde steht dieses Jahr im Zeichen von Lettland. Festivalleiter Jens-Peter Müller hat den baltischen Staat im vergangenen Juli bereist – und dabei ein starkes Traditionsbewusstsein entdeckt
Vom 21.–25. April findet zum sechsten mal das Folkbaltica-Festival für moderne und experimentelle Folkmusik statt.
■ Rund um die Flensburger Förde gibt es Auftritte von 85 MusikerInnen aus den Ostsee-Ländern sowie Workshops und Ausstellungen zum Thema Lettland.
■ Zu den Bands gehören unter anderem die Dänen „Varavn“, das deutsche Folk-Duo „Deitsch“ und die lettischen Jazz-Musiker von „Patina“. Das Festival beginnt mit einem nordisch-baltischen „Sonnenkonzert“.
Die Wirtschaftsleistung ist im vergangenen Jahr um fast ein Fünftel eingebrochen, Krankenhäuser und Schulen werden geschlossen, die Regierung fährt einen radikaler Sparkurs und die Kommissare in Brüssel machen Druck. Kaum ein anderes europäisches Land ist von der Finanzkrise so stark getroffen worden wie Lettland, dem Themenschwerpunkt des diesjährigen Folkbaltica Musikfestivals in der Flensburger Förde.
Beim letzten Festival hatte das lettische Trio Smite, Karkle, Cinkuss für solche Begeisterungsstürme gesorgt, dass sich die Organisatoren entschieden, sich diesmal ganz dem baltischen Staat zu widmen. Der ist sonst in der öffentlichen Wahrnehmung eher unterrepräsentiert. „Ich hatte bis letztes Jahr keine Ahnung von Lettland“, sagt Intendant Jens-Peter Müller. Es sei das erste Mal, dass die Vielfalt der lettischen Kulturszene solche Aufmerksamkeit erfahre.
Müller ist letzten Juli extra nach Lettland gereist. Es ginge dort sehr viel folkloristischer zu als hierzulande. Junge, „coole“ Leute liefen stolz in Trachten herum, erzählt Müller. Ein Phänomen, dass sich auch in anderen kleinen Ländern wie Norwegen beobachten lasse. Jens-Peter Müller wurde auf seiner Reise von einer 17-jährigen Lettin begleitet und fragte sie, warum sie die Traditionen so hochhalte. Die junge Frau antwortete, sie sei stolz darauf, dass es so eine Kultur in einem kleinen Land, das erst von den Deutschen und dann von den Russen besetzt war, überhaupt noch gebe.
Auch die Musikszene leidet unter der Rezession. Musikschulen sind geschlossen, öffentliche Gelder zur Kulturförderung kaum mehr vorhanden. „Nach 40 Jahren russischer Okkupation werden die Letten auch das überstehen“, glaubt der Intendant. Die Kulturverwurzelung reiche tiefer, als man sich vorstellen könne.
Für die Folkbaltica ist es das erste Mal, dass sie von einem Partnerland keine finanzielle Unterstützung bekommt. Müller hofft, dass die Musiker, die jetzt ums Überleben kämpfen, von ihrem Auftritt bei der Folkbaltica profitieren.
Bis zu 6.000 Besucher werden an der Flensburger Förde erwartet, um Künstler wie den Multiinstrumentalisten Valdis Muktupavels, der in Riga „Folklore“ lehrt, oder die finnisch-norwegische Gruppe „Frigg“ zu sehen. Lettlands ehemalige Präsidentin Vaira Vike-Freiberga wird einen Vortrag über die Kultur ihres Landes halten. Auch Vike-Freiberga, die bis 1998 unter anderem im Lübecker Exil lebte, ist den Traditionen ihre Landes eng verbunden – so sehr, dass sie sogar eine CD mit Volksliedern aufgenommen hat. LISA KRICHEL