: Von den Ängsten einer Jugend
KONZERT Rastlose Sonnenuntergangsmusik – die Songwriterin Katie Crutchfield spielte als Waxahatchee am Mittwoch im Monarch
Es ist der bisher heißeste Tag des Jahres. Kann man in der Stadt vielleicht am besten am Wasser verbringen oder auch auf einer schattigen Wiese im Görlitzer Park. Und wenn man doch weiter will bis zum Kottbusser Tor, zum Konzert im Monarch, stellt man sich eben unter einen der vier Ventilatoren dort für ein bisschen Luft im stickigen Raum. An diesem Mittwoch spielt die Songwriterin Katie Crutchfield. Unter dem Namen Waxahatchee hat sie mit „Cerulean Salt“ gerade ihr zweites Album veröffentlicht. Anfang 20 ist sie, hat bereits in zahlreichen Bands gespielt und lebt in Philadelphia, wo sie die Lieder ihres neuen Albums wieder im Homerecording aufgenommen hat.
Das Tolle an „Cerulean Salt“ ist vor allem Crutchfields Fähigkeit, schlichte und doch überraschende Melodiefolgen zu komponieren, die ihren Songs eine besondere Dringlichkeit verleihen. Dazu hört man bei dem Album eine Intimität, die sich auch beim Konzert im gut gefüllten Monarch einstellt. Ein Gefühl, als würden einem die Lieder direkt ins Ohr gesungen, so nah kommt den Hörern der Gesang, im besten Fall nur von einer verstärkten Gitarre begleitet und manchmal noch von einem Bass und ein bisschen Schlagzeug.
Wobei das Schlagzeug, wenngleich nur sporadisch eingesetzt, im Vergleich zur Platte doch zu laut ist und an manchen Stellen den Gesang überdeckt. Dankbar ist man deswegen für die Passagen, bei denen der Schlagzeuger, statt zu spielen, durch die großen Fenster zur Skalitzer Straße auf die untergehende Sonne schaut.
Aber die aggressiven Schläge auf die Snare erinnern auch an Crutchfields Punkmusik-Vergangenheit, die auch auf „Cerulean Salt“ noch zu hören ist. So ist ihr Songwriting nie von den Blumengirlanden des Folks umkränzt. Eher strahlt es eine schroffe Coolness aus, die vielleicht an Liz Phair erinnert oder die Breeders. Aus den so schlicht wie sperrigen Gitarrenläufen und dem melancholischen, manchmal spröden Gesang entstehen musikalischen Skizzen, in denen jede Linie vorsichtig, aber stets präzise gesetzt wirkt.
Zweifel an der Liebe
Und es bleibt Raum genug für Crutchfields Geschichten. So prägnant wie die Töne sind bei Waxahatchee auch die Worte gewählt, die von den Ängsten einer Jugend erzählen. Etwa auf einer Hochzeit, wenn beobachtet wird, wie der Braut das Make-up wie Teer im Gesicht klebt – und damit Zweifel an der Liebe im Allgemeinen und den Traditionen, die das Leben bestimmen, artikuliert werden.
Immer wieder werden in den Texten solche Motive aufgerufen, Lebensentwürfe ent- und verworfen, dabei auf die schönste Weise Einsamkeit angesprochen: „I wake up early every morning / And you sleep for hours after me / In our darkened bedroom / I can’t breath behind this curtain that we keep.“
Am Ende, so scheint es in diesen Liedern, bleibt als Antrieb nur die Rastlosigkeit und der Wunsch, sich immer an andere Orte zu träumen. Auf der Suche nach etwas, ohne zu wissen, was das nun sein soll. Bleibt zu hoffen, dass aus dieser Rastlosigkeit noch viele weitere Lieder kommen. LISA FORSTER