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Archiv-Artikel

MARTINA SÁBLÍKOVÁMährischer Fremdkörper

Was macht die denn da? Vor vier Jahren wunderten sich die Beobachter, als die Tschechen verkündeten, eine gewisse Martina Sáblíková werde die Landesfahne zur Eröffnungsfeier in das Olympiastadion zu Turin tragen. 18 Jahre war sie damals alt, und die Rolle als Superstar des tschechischen Wintersports war bereits für sie reserviert. Doch damals konnte sie den wohl allzu hohen Erwartungen der Sportfunktionäre ihres Landes nicht gerecht werden und verpasste eine Medaille. Vier Jahre später darf sie sich Doppelolympiasiegerin nennen. Nach dem Erfolg über 3.000 Meter und auf der 1.500-Meter-Strecke hat sie am Mittwoch vor der deutschen Newcomerin Stephanie Beckert und Kanadas Clara Hughes auch über fünf Kilometer gewonnen.

Wie sieht die denn aus? Das fragen sich immer noch viele, die die Tschechin über das Eis laufen sehen. Klein und für eine Eisschnellläuferin geradezu dürr ist die nun 22 Jahre alte Läuferin. „Sie wirkt wie ein Fremdkörper in unseren Sport“, meint Gunda Niemann-Stirnemann, die mit ihrem kräftigen Körper drei Mal olympisches Gold über die Langstrecken gewinnen konnte. 1,71 Meter ist Sáblíková groß, nur 53 Kilogramm wiegt sie. Was ihre Gegnerinnen auf der Gerade dank ihrer Kraft gewinnen, macht Sáblíková in der Kurve mehr als wett. Da hat sie weniger mit den Fliehkräften zu kämpfen als ihre großgewachsenen Konkurrentinnen und konnte sich ein ganz eigene, unnachahmliche Technik aneignen.

Wo kommt die nochmal her? Tschechien ist nicht gerade als Land der Schnellläufer bekannt. Als Sáblíková mit dem Sport begann, hat sie auf Natureis trainiert. Bis heute gibt es keine 400-Meter-Kunsteisbahn in Tschechien. Ihr Trainer Petr Novák, der das Talent Sáblíkovás erkannte, als er sie, die damals 13 war, beim Rollerbladen sah, kaufte sich einen Minibus und chauffierte seinen Schützling nach Inzell oder Berlin. Dort haben die Trainer der deutschen Spitzenläuferinnen nicht schlecht gestaunt über das Pensum, das das Mädchen aus Mähren zu absolvieren hatte. Novák wurde vorgeworfen, er schinde seinen Schützling schier zu Tode. Heute wird der harte Hund verehrt in der Szene. Und gefürchtet. Die zwölf jungen Läufer, die er trainiert, könnten bald die Weltelite aufmischen. Einer davon ist Martinas kleiner Bruder Milan. Der ist 19 und einer der besten Junioren der Welt. ANDREAS RÜTTENAUER