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Archiv-Artikel

DAS DING, DAS KOMMT Die 70er am Fuß

PLATEAU-SCHUHE sind die Grundlage, auf der der Schlager-Move in Hamburg alljährlich stattfindet

Schlager sind heutzutage längst auch mit Beats aus der Drummachine unterlegt. Zum deutschsprachigen „Ich-dich“-Geschmachte macht es im Hintergrund „uffze-uffze-uffze“. Aber beim Schlager-Move wird nicht das gedudelt, was die ganz Woche auf NDR1 läuft. Am nächsten Wochenende auf der Reeperbahn wird alles sein wie früher. Es werden wieder die 70er-Jahre sein. „Griechischer Wein“, „Mendocino“ und „Ein Bett im Kornfeld“.

Der Look dazu? Bunte Perücken, klar. Aber die gibt’s ja heute auf jedem zweiten Bierbike ganzjährig zu sehen. Sonnenblumensonnenbrillen. Schlaghosen. Und – Plateauschuhe. Für Frauen kommen sie seit den 70ern alle paar Jahre wieder in Mode, in immer kürzeren Abständen. Sie sind schon fast ein Klassiker, von modischen Konjunkturen unabhängig. Vielleicht, weil sie auf relativ bequeme Weise ermöglichen, auf gefährlich hoch aussehenden Hacken daherzustöckeln. Aber für Männer?

Für Männer gibt es nur diese eine Gelegenheit, sich mit Plateauschuhen ein paar Zentimeter zu borgen: den Schlager-Move, und vielleicht noch seine kommerziellen Spin-offs wie Schlager-Move-On-Tour-Partys oder Schlager-Move-Boot-Partys, die mittlerweile ganzjährig quer durch die Republik stattfinden.

Das Gute: Mann trägt seine Plateauschuhe so selten, dass auch Vintage-Modelle aus den 70ern halten und so manchen Schlager-Move mitmachen können. Aber für die hunderttausend Schlager-Fans, die da mitlaufen, gibt es nicht mehr genug Originale. Deshalb werden sie schon lange wieder hergestellt, meist billig gemacht und teuer verkauft. Meist zweifarbig und in möglichst ekligen Kombinationen wie braun-orange. Sie sind dem Schlagerfreund, was dem Narren die Kappe: Das Zeichen dafür, dass so richtig die Sau rausgelassen wird.

Zu anderen Anlässen tragen Plateauschuhe höchstens Männer, die für das Gros der Schlager-Move-Klientel wahrscheinlich gar keine richtigen sind: Der Plus-Absatz gilt als irgendwie schwul. Tatsächlich verbreitet ist das Plateau in der Transenszene, für die es auch Damenmodelle bis Größe 46 gibt. Damit wird die Drag-Queen noch 18 Zentimeter größer. Aus der Schmuddelecke geholt hat die Plateau-High Heels mit Stilettoabsätzen Model-Trainer Jorge González. Nachahmer hat er keine gefunden, aber viele weibliche Fans, die auch gern darauf gehen könnten.

Die groben Männer-Plateauschuhe dagegen, mit denen man gut einen Nachmittag über die Reeperbahn stampfen kann, gehören nur für das Fleisch gewordene Schlager-Revival Dieter Thomas Kuhn zur Berufskleidung. Beim Schlager-Move wird er dies Jahr fehlen.  JAN KAHLCKE

■ Schlager-Move: Sa, 29. Juni, 15 Uhr, Heiligengeistfeld, Hamburg