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Archiv-Artikel

Städte von außen nach innen abreißen

Wie können die Kommunen im Ruhrgebiet mit dem Bevölkerungsschwund umgehen? Halle an der Saale hat seit der Vereinigung 80.000 Einwohner verloren. Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler gibt Tipps für den Umbau

Knapp 240.000 Menschen leben heute in Halle, vor fünfzehn Jahren war es ein Drittel mehr. Zu DDR-Zeiten war Halle noch das Zentrum eines Chemiedreiecks. Als nach der Wende die Wirtschaft zusammenbrach und Arbeitsplätze verloren gingen, zogen auch viele Menschen weg. Zusätzlich dazu ging die Geburtenrate massiv zurück. Seit dem Jahr 2000 managt Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler (SPD) den Umbau ihrer Stadt, die immer noch die größte in Sachsen-Anhalt ist. Im Gespräch mit der taz erklärt Häußler, was schrumpfende Städte beachten müssen.

Tipp 1: Abriss muss sein. Bis Anfang der neunziger Jahre gab es Wohnungsnot in Halle. „Viele Bürger konnten es deshalb gar nicht verstehen, als die Stadt dann damit begann, tausende Wohnungen abzureißen“, sagt Häußler. Doch es musste sein, weil leer stehende Blocks sonst verfallen und die Lebensqualität im ganzen Umfeld sinkt.

Tipp 2: Abriss planen. Halle hat nicht die Wohnblocks zuerst abgerissen, die zuerst leer standen, sondern die, die am Rand der Stadt liegen. Das stieß auf den Protest der Menschen, die dort noch wohnten, war aber notwendig, damit die Stadt nicht zerfranst. Nicht vergessen: Mit den Häusern müssen auch die Straßen und Abwasserkanäle entfernt werden. Hinweis: Zumindest im Osten zahlt der Bund für Abriss und Modernisierung von Wohnungen weiter innen in der Stadt.

Tipp 3: Runde Tische. In so genannten Stadtteilkonferenzen treffen sich in Halle Verwaltung, Bürger, städtische Betriebe und Unternehmen regelmäßig. Wenn beim Stadtumbau von Anfang an alle Beteiligten einbezogen werden, gibt es hinterher weniger Ärger. Weiterer Vorteil: „Wenn die Bürger mitreden können und sie merken, dass ihre Vorschläge nicht verpuffen, wird dadurch auch die Stadt attraktiver“, sagt Häußler.

Tipp 4: Kosten senken. „Bevölkerungsschwund betrifft alle Bereiche der Infrastruktur“, so die Oberbürgermeisterin: Busse und Bahnen verlieren Kunden, Läden schließen, die Kläranlage ist überdimensioniert, die öffentlichen Theater und Museen haben weniger Besucher. Gleichzeitig verliert die Stadt massiv Steuereinnahmen. Halle musste radikal sparen: Von 29 Sekundarschulen etwa sind nur noch 9 geblieben. Folge: Die Wege für die Schüler sind jetzt länger und gefährlicher. Aber die Schulen konnte sich Halle nicht mehr leisten.

Tipp 5: Eigeninitiative. Inzwischen gibt es Unternehmen und freie Träger, die Kindergärten betreiben. Ein Spielplatz wurde von Eltern aufgebaut. „Wenn Bürger zu mir kommen und sagen, die Stadt sollte hier oder da etwas unternehmen, dann muss ich häufig sagen: Das geht nicht mehr.“ Halle kann immer häufiger nur noch private Initiativen koordinieren, aber nicht mehr selbst der Haupt-Geldgeber sein.

Tipp 6: Nicht aufgeben. Halle wurde vor ein paar Jahren ein noch größerer Rückgang der Bevölkerung vorhergesagt. Da die Stadt das Problem nicht ignoriert hat, ist sie jetzt sogar noch gut weggekommen.SEBASTIAN HEISER