JUGENDBANDEN : Hass im Bad
In der Umkleidekabine des Spreewaldbads treffe ich auf 15 Halbstarke mit arabischen Migrationshintergrund, die Oberwasser haben. Auf einem Haufen sind Pubertierende nie ein schöner Anblick, in diesem Fall aber ist die Sache besonders haarig. Denn nach dem Prinzip „Gemeinsam sind wir unausstehlich“ brüllen sie, was ihre Kehlen hergeben, und schlagen mit den flachen Händen rhythmisch auf die Zwischenwände der Umkleidekabinen. Kein Bademeister lässt sich blicken. Ich bin allein mit einer halbnackten, randalierenden Meute, die skandiert: „Tod den Juden! Tod den Juden!“
Schöne Scheiße. Ich tue so, als ob ich nicht da wäre, was mir gelingt, denn ich werde nicht belästigt. Aber ich wünschte, mein alter Kumpel Eddy wäre hier. Ein Brocken von einem Mann. Nicht ganz so groß wie das Empire State Building, hätte er alle in eine Flasche gestopft und sie der Strömung eines reißenden Gebirgsflusses überlassen. Jedenfalls, wenn ich ihm gut zugeredet hätte.
Er hat mir mal einen vergilbten Zeitungsausschnitt gezeigt: „Jugendbande überfällt Polizeirevier. Fünf Beamte schwer verletzt im Krankenhaus.“ Mit seiner riesigen Pranke deutete er darauf und meinte: „Ich hab’s gemacht. Solo!“ Ich guckte ihn an wie ein Schwachsinniger. „Na, ist das nichts?“ „Doch“, sagte ich. Er wanderte dann nach Kanada aus, um Gras über die Sache zu wachsen zu lassen, und wurde Holzfäller. Als er genügend Geld zusammen hatte, kam er zurück. Seither lebt er von seinen Ersparnissen.
Für den Rest ihres Lebens hätten die Jungs lieber mit einem tollwütigen Hund in einem Wandschrank zugebracht, als noch einmal Eddy zu begegnen und an der Bodenleiste entlangzukriechen wie Fliegen, denen man die Flügel ausgerupft hatte. Manchmal hilft nur Wunschdenken, um über eine Demütigung hinwegzukommen, die der Alltag bereit hält. KLAUS BITTERMANN