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Archiv-Artikel

Bewusstlos benutzt

Die Doku „K.o.-Tropfen“ (22.30 Uhr, SWR) porträtiert ein grausames Sexualdelikt, ohne reißerisch zu werden

Die junge Frau will anonym bleiben. Ihre Hand zittert, als sie die Geschichte ihrer Vergewaltigung erzählt. Nach einer Party sei sie am Morgen in einem Hotel aufgewacht, nur mit einem T-Shirt bekleidet. „Wahnsinnige Unterleibsschmerzen“ habe sie gehabt und sich an nichts mehr erinnern können. Deshalb und aus Scham, sei sie nicht zur Polizei gegangen. „Ich dachte, das glaubt mir niemand, ich konnte es ja selbst nicht glauben.“ Seitdem habe sie Angst, auf Partys zu gehen. Oder überhaupt vor die Tür.

Die Reportage „K.o.-Tropfen“ porträtiert ein unheimlich-heimliches Sexualverbrechen: Delikte mit so genannten Rape-Drugs. Die Täter machen Frauen mit präparierten Drinks willen- oder bewusstlos und vergewaltigen sie anschließend. Heimtückisch und schwer nachweisbar ist z. B. die Droge „Liquid Ecstasy“: Sie bewirkt zunächst sexuelle Enthemmung und später einen „Filmriss“. Was nach der Disco geschah, daran können sich die Opfer meist nicht erinnern. Oder sie sterben – wie am Sonntag im „Polizeiruf 110“ (taz berichtete) – an den Folgen von „Liquid X“.

Was sich liest wie das Drehbuch zu einer reißerischen RTL-2-Doku, daraus haben die Reporter der Kölner Produktionsfirma „migra“ einen verstörend informativen Aufklärungsfilm gemacht. Ein Jahr hat das Team um Autor Peter Schran recherchiert, Frauen zwischen Lübeck und Köln aufgespürt, die alle dasselbe erlebt haben und nur anonym darüber sprechen wollen. Der Film lässt Opfer, Frauenärzte und Gerichtsmediziner berichten und rollt Fälle der jüngsten Vergangenheit auf. Auch ein inhaftierter Täter wird befragt. Seine reuelosen Schilderungen sind zwar nur schwer zu ertragen, zeigen aber, was guter Journalismus kann: Ein Phänomen von allen Seiten beleuchten, auch dort, wo man eigentlich gar nicht hinsehen will.

Dass sich viele K.o.-Tropfen-Delikte im sozialen Nahraum abspielen, dokumentiert ein anderer Fall im Film: Die 23-jährige Annika stellte Strafanzeige gegen den eigenen Freund, nachdem sie mit Unterleibsverletzungen in dessen Bett aufgewacht war. Später tauchten Nacktfotos der bewusstlosen Annika auf. „Ich sah auf den Bildern aus wie eine Leiche“, sagt sie. Der Mann wurde verurteilt – viele andere Täter nicht. Weil sich ihre Opfer schämen, jemandem von ihrem Verdacht zu erzählen. Deshalb sind schwer verdauliche Filme wie dieser so wichtig.

Michael Aust