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Archiv-Artikel

„Tierschmuggel bringt das Virus“

Der kriminelle Tierhandel könnte die Vogelgrippe nach NRW bringen, sagt Nabu-Chef Josef Tumbrinck

taz: Herr Tumbrinck, die Vogelgrippe zieht weiter Richtung Europa. Wie kann sie aufgehalten werden?

Das Virus kommt viel eher über Tierschmuggel- und handel als über wandernde Vögel zu uns. Man hat es ja schon vor einigen Monaten in England bei einem Papagei, der in Quarantäne war, gefunden. Dagegen ist die Gefahr durch Vogelzug doch ziemlich gering.

Dann ist die Stallpflicht also Quatsch?

Sie ist weit überzogen. Aber man kann ja nie nie sagen. Daher begibt sich Landwirtschaftsminister Horst Seehofer auf die sichere Seite. Denn die Folgen, wenn wirklich etwas passieren würde, will er nicht verantworten. Aber trotzdem ist Vogelhandel und der Schmuggel von Geflügel und Geflügelprodukten weit gefährlicher.

Warum spielt das Thema Umweltkriminalität in der Öffentlichkeit keine Rolle?

Es schwappen immer nur spektakuläre Fälle in die Medien: Wenn am Flughafen auf einmal 1.000 Schildkröten konfisziert werden, oder hunderte Papageien. Es handelt sich dabei ja nicht um irgendwelche Amseleier, sondern um Seeadler und andere seltene Arten, die oft vom Aussterben bedroht sind.

Aber das sind doch eher Einzelfälle, oder?

Beim illegalen Vogelhandel gibt es regelrecht mafiöse Strukturen – vor allem in den Niederlanden und Belgien. Da wird viel Geld verdient mit Wildvögeln – Dompfaffen, Buchfinken zum Beispiel –, die illegal gefangen werden und dann an Hobbyvogelzüchter verkauft werden. Das ist organisierte Kriminalität, bei der es um viel, viel Geld geht.

Eine anderes Thema bei der artenschutzrechtlichen Umweltkriminalität ist ja die Verfolgung bestimmter Tierarten.

Das gibt es sehr oft, dass Tiere – vor allem Greifvögel – illegal geschossen und vergiftet werden. Da gibt es einmal die Geflügel – oder Taubenzüchter, die die durch DDT geschwächten Bestände etwa des Wanderfalken zwischendurch fast ausgerottet hätten. Vor kurzem haben wir schon wieder eine Taube gefunden, die hatte ein Giftpaket auf den Rücken gebunden bekommen. Wanderfalken, die nun mal gerne Tauben jagen, sollen die Taube schlagen, fressen und dann krepieren. Und es gibt auch in der Jägerschaft schwarze Schafe, die, wenn sie unbeobachtet sind, die Flinte anlegen.

Es gibt ja beim NRW-Umweltministerium eine Stabsstelle Umweltkriminalität. Wie effektiv ist diese bundesweit einmalige Stelle?

Ja, es ist gut, dass solche Delikte von einer höheren Ebene verfolgt werden. Denn das Problem ist, wenn in einer Region solche Fälle auftreten, oftmals die lokalen Behörden fachlich überfordert sind und es manchmal sogar personelle Verquickungen gibt. Auch bei der Polizei gibt es aktive Jäger. Und wenn solche Fälle bei einem Jägerfreund auf dem Tisch landen, passiert da gar nichts. Deswegen müssen die Fälle aus der lokalen Ebene Richtung Düsseldorf ziehen. Das sind keine Kavaliersdelikte.

Warum eigentlich? Man könnte doch sagen, naja, diese ein, zwei Vögel...

Es geht eben nicht nur um ein, zwei Vögel, in manchen Kreisen sind es Dutzende. Wir wissen zum Beispiel aus der landesweiten Kartierung, dass es beim Habicht richtige Löcher gibt in bestimmten Regionen. Der kommt eigentlich weit verbreitet vor, aber es gibt Bereiche, da gibt es die Habichte schon seit Jahren nicht mehr. Da liegt der Verdacht nahe, dass dort illegal gejagt wird. Außerdem: An die Köder kann jeder ran gehen, Hunde, selbst Kleinkinder. Solche Vergiftungen sind auch ein Problem der Allgemeinheit.

INTERVIEW: SUSANNE GANNOTT