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Archiv-Artikel

Eher amorph

FESTIVAL II Rencontres Internationales mit einer ganzen Bilderflut im Haus der Kulturen der Welt

„Das Wasser treibt die Menschen in den Wahnsinn“ hieß es an einer Stelle in Michael Buschs Film-Performance „Strange Matter“, einem Live-Remix seines Films „Gedanken/Landschaften“, dessen Bild-, Ton- und Textmaterial am Dienstag im Haus der Kulturen der Welt beim Eröffnungsabend des Film- und Videokunstfestivals „Rencontres Internationales“ vor den Augen und Ohren der Besucher gleichzeitig auseinandergenommen und neu arrangiert wurde.

Jede Filmvorführung ist, aller technischen Standardisierung zum Trotz, auch eine für sich einmalige Aufführung, an einem spezifischen Ort, zu einer spezifischen Zeit, vor einem spezifischen Publikum. Diese performative Dimension dringt in den Kinoalltag meist nur als Störung – als Filmriss etwa oder in Gestalt sich laut unterhaltender Sitznachbarn. Busch erforschte dagegen die Frage, was mit der Kinovorführung geschieht, wenn man gewisse apparative Selbstverständlichkeiten unterläuft.

Im Haus der Kulturen der Welt hatte Busch das Foyer vor dem Auditorium, einen eher amorphen Aufenthaltsbereich, für seine Performance in Beschlag genommen. Mit zwei 8-mm-Projektoren, einem Diaprojektor, einem Laptop mit angeschlossenem Beamer, dazu ein auf alle mögliche Arten bearbeiteter Flügel und Buschs eigene Stimme.

Das Besondere an diesem Aufbau: Das entstehende Werk war gleichzeitig mit seinem Making-of präsent. Man konnte sich, wenn man wollte, ganz auf die halbtransparente Glaswand konzentrieren, auf der sich die verschiedenen, immer wieder vom Abstrakten ins Gegenständliche wechselnden Bildebenen manchmal nebeneinander, öfter übereinander entfalteten, sich gegenseitig mal bereichernd, mal auslöschend. Genauso gut konnte man sich auf Busch selbst konzentrieren, der in kreativer Hektik zwischen seinen Apparaturen hin und her eilte, mal den Flügel mit sonderbaren, vibrierenden Geräten malträtierte, mal die Projektionsgeschwindigkeit der 8-mm-Filme regulierte und zwischendurch noch Zeit fand, die Filmerzählung von einer – mysteriösen, aber auf jeden Fall mit einem gefährlichen Wasserüberschuss in Verbindung stehenden – Naturkatastrophe per live eingesprochenem Voiceover weiterzuspinnen.

Einsamer Höhepunkt

Man muss leider dazu sagen, dass diese multimediale Flutkatastrophe der einsame Höhepunkt war am Eröffnungsabend der diesjährigen Rencontres-Ausgabe. Weitgehend unkuratiert wirkt das Festival, das sich in erster Linie als fast etikettenloser Behälter für die ausufernde Bildproduktion im Kunstbereich zu verstehen scheint.

Das unter dem typisch vagen Titel „Neue Fiktion“ zusammengestellte erste Kurzfilmprogramm hinterließ wenig bleibende Eindrücke und zeigte ein weiteres Mal, dass die Videokunst dem Kino selten mehr hinzuzufügen hat als einen schnell ermüdenden Oberflächenfetisch. Und als man später im großen Hauptfoyer einige isolierte Gestalten im Rahmen einer „iPhone App Performance“ Smartphone-Gymnastikübungen aufführen sah, konnte man durchaus auf den Gedanken kommen, dass das gleichzeitig im hinteren Teil des Hauses stattfindende SPD-Sommerfest diesmal die bessere Wahl gewesen wäre. Bevor man auch nur den Versuch unternehmen konnte, dieser beängstigenden Sehnsucht nach sozialdemokratischem Gemeinschaftsgefühl nachzugeben, rettete glücklicherweise Buschs „seltsame Materie“ den Tag und den Glauben an die Kunst. LUKAS FOERSTER

■ „Recontres Internationales“ bis zum 30. Juni im Haus der Kulturen der Welt. Eintritt frei. www.hkw.de