: „Fünf Regelungen für nur einen Fluss“
Die geplante Föderalismusreform ist im Umweltbereich völlig sinnlos, kritisiert FDP-Umweltexperte Meierhofer. Um den drohenden Kompetenzwirrwarr abzuwenden, wollen sich die Liberalen mit den Grünen und der Linkspartei verbünden
INTERVIEW NICK REIMER
taz: Herr Meierhofer, die Umwelt-Sachverständigen der Bundesregierung haben die geplante Föderalismusreform aus ökologischer Sicht massiv kritisiert. Sind Sie auch entsetzt?
Horst Meierhofer: Der Entwurf fragt im Umweltrecht nicht nach Problemen, sondern gehorcht dem Prinzip „Geb ich dir was, gibst du mir was“. Landeskompetenzen im Umweltrecht können ja in einigen Fällen sinnvoll sein. Ob beispielsweise die Brandenburger Biergärten die gleichen Lärmschutzbestimmungen haben wie die Bayern, ist mir persönlich egal. Abstrus sind unterschiedliche Regeln aber im Umweltrecht.
Warum?
Nehmen Sie den Hochwasserschutz: Es ist nicht nachvollziehbar, warum es für einen Fluss fünf verschiedene Regelungen geben soll, nur weil er durch fünf verschiedene Bundesländer fließt.
Auch bei der Bildung besitzen die Länder viele Kompetenzen – was den Wettbewerb untereinander fördert. Ist das so schlecht?
Ich bin zwar kein Bildungsexperte, finde aber, Bildungspolitik muss nicht bundeseinheitlich gestaltet werden. Dass der Umweltbereich anders ist, sieht man auch daran, dass ich noch keinen Umweltpolitiker aus den Ländern gehört habe, der den Plänen auch nur eine Nuance an Positivem abgewinnen kann.
Wenn nicht einmal die Landespolitiker zufrieden sind – wieso werden dann trotzdem die Kompetenzen des Bundes auf die Länder verlagert?
Der Umweltbereich ist offenbar dazu auserkoren, die Kompetenzverluste zu kompensieren, die den Ländern in anderen Bereichen der Föderalismusreform zugemutet werden.
Die CDU fürchtet, dass die gesamte Reform bedroht ist, wenn der Umweltbereich neu verhandelt wird. Zu Recht?
Wenn dieses Reformwerk so wenig stabil ist, dass erkennbarer Unsinn an Einzelstellen nicht korrigiert werden kann, dann ist die gesamte Reform nichts wert. Das Credo einer Föderalismus-Reform kann doch nicht sein: Muss ich eine Kompetenz abgeben, will ich eine andere dafür –und sei sie noch so sinnlos.
Die CDU hat vorgeschlagen, die Umweltmängel der Reform im Gesetzgebungsverfahren zu ändern. Ein gangbarer Weg?
Nein, denn die Sachverständigen sind Umweltexperten und Berater der Regierung. Was also macht es für einen Sinn, Gesetze in den Bundestag einzubringen, ohne den Sachverstand zu berücksichtigen. Das erfolgversprechendere Vorgehen ist, die Bedenken der Sachverständigen einzuarbeiten, bevor das Gesetzgebungsverfahren beginnt. Ich fürchte allerdings, dass die Umweltpolitiker der Regierungsparteien nicht stark genug sind, dies durchzusetzen. Dann blieben tatsächlich nur noch kleinere nachträgliche Korrekturen in den Ausschüssen.
Ausgerechnet die Kritik der FDP ist im Umweltausschuss des Bundestages am schärfsten. Entdecken die Liberalen gerade ein neues Politikfeld?
Überhaupt nicht. Den ersten für Umweltschutz zuständigen Minister der Bundesrepublik stellte die FDP: Hans-Dietrich Genscher war Innenminister und bekam 1969 ein Umweltressort hinzu. Die Liberalen sind quasi die Entdecker dieses Politikfeldes. Richtig ist, dass wir in den letzten Jahren mit dem Thema nicht wahrgenommen wurden. Ich will dazu beitragen, den Blick wieder zu schärfen.
Gegen die vorgelegte Reform dürfte sich Druck nur aufbauen lassen, wenn die Opposition geschlossen auftritt. Gelingt ein Schulterschluss?
Das ist die Hoffnung. Das ist der Plan. Es gibt Gespräche mit Grünen und Linkspartei.