: Geheimsache Geheimdienst
ÜBERWACHUNG Auch der Bundestag weiß nichts Genaues über die Internationale der Datensammler. Der Innenminister wirbt um Verständnis. Kein Wunder: Berlin profitiert bei der Terrorabwehr von den Schnüfflern
AUS BERLIN ASTRID GEISLER
Der Plenarsaal war fast leer, als der Bundestag am Mittwochmittag jenes Thema aufrief, das seit Tagen die halbe Welt beschäftigt: Wie viele unserer Kommunikationsdaten sammeln und speichern die Geheimdienste der USA und Großbritanniens? Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich scheint das bislang nicht wirklich zu wissen. Die „erste und wichtigste Frage“ sei nach wie vor: „Was ist dran an den Presseberichten?“, sagte der CSU-Politiker zu den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden. Eine Antwort lieferte er nicht.
Der Minister warb stattdessen um Vertrauen in die demokratischen Standards der Partnerländer: Er sei sicher, dass die USA und Großbritannien ein „ähnliches Rechtsverständnis“ hätten wie Deutschland. Auch dort seien die Sicherheitsbehörden an Recht und Gesetz gebunden. Den Ländern dies abzusprechen sei „Hybris“. Schließlich würden die Geheimdienste ja in den USA und Großbritannien – genau wie hierzulande – durch die Parlamente kontrolliert.
Womöglich ahnt Friedrich längst, dass die Auskünfte der „befreundeten“ Geheimdienste über ihre Datensammelpraxis spärlich bleiben dürften. Kurz vor Beginn der Sitzung war bekannt geworden, was die britische Regierung seinem Ministerium auf einen 13-Punkte-Fragenkatalog zum Abhörprogramm „Tempora“ geantwortet hatte: „Wie Sie ja wissen, nehmen britische Regierungen grundsätzlich nicht öffentlich Stellung zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten.“ Alles Weitere solle der BND bitte bilateral mit den britischen Diensten klären. Drei dürre Zeilen. Bleibt offen, ob die für Grundrechte zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding genauso abserviert wird. Auch sie bat London um Fakten.
Die Opposition warf der Bundesregierung vor, die Grundrechte der Bundesbürger nicht ausreichend zu verteidigen. Die Bundeskanzlerin müsse diesen „umfassendsten Eingriff in die Grundrechte deutscher Staatsbürger“ beim bevorstehenden Europäischen Rat zum Thema machen, forderte der SPD-Innenpolitiker Thomas Oppermann. Der netzpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, kritisierte, dass die Regierung bisher nicht einmal eine Haltung zu der Spähproblematik habe. Vermutlich gebe es eine Art Ringtausch zwischen den Geheimdiensten, wobei auch der deutsche BND von der Massenabschöpfung durch die Briten und Amerikaner profitiere.
Am Abend wollte sich auch das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) mit der Affäre befassen. Allerdings dämpfte dessen Mitglied Christian Ströbele bereits die Erwartungen: „Wie sollen wir die Geheimdienste kontrollieren, wenn wir keine Informationen bekommen?“, fragte der Grüne.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) saß mit finsterem Blick auf der Regierungsbank und hörte schweigend zu. Erst nach der Sitzung meldete sie sich zu Wort und verlangte, dass „die Bundesregierung kraftvoll und zügig“ alles tun müsse, um den Sachverhalt aufzuklären.