: H5N1 im Anflug
Vogelgrippe-Alarm: Der Erreger ist sehr wahrscheinlich in Österreich gelandet. Deutsches Geflügel muss in den Stall
BERLIN taz ■ Jetzt auch Österreich: Der gefährliche Vogelgrippe-Erreger H5N1 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Steiermark gelandet. 21 tote Vögel wie Enten, Schwäne und Kormorane wurden dort in einem Labor getestet. Dabei habe sich der „dringende Verdacht“ ergeben, so das österreichische Gesundheitsministerium gestern, dass zwei Schwäne mit H5N1 infiziert waren. Die Proben seien bereits an das EU-Labor Weybridge in England geschickt worden – zur Überprüfung.
Bestätigt sich der Verdacht, wäre die Vogelgrippe zum ersten Mal in einem Nachbarland von Deutschland nachgewiesen. Der Erreger erobert die Europäische Union. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) zieht daher die Stallpflicht für Geflügel vor. Ab dem 20. Februar müssen alle Hühner, Gänse und Puten ein Dach über dem Kopf haben – bis Ende April. Seehofer will verhindern, dass heimisches Geflügel mit Zugvögeln in Kontakt kommt, die die gefährliche Seuche einschleppen könnten.
Bisher war der Stichtag für die Stallpflicht der 1. März. Doch die „Gefahrenlage hat sich geändert“, sagte der Minister gestern. In Italien und Griechenland wurden schon am Wochenende Wildschwäne entdeckt, die an H5N1 verendet sind. Die Seuchenexperten des Bundesinstituts für Tiergesundheit sind besorgt: Das Risiko, dass Zugvögel H5N1 einschleppen, habe sich „erhöht“ – zumal die Vogelgrippe letzte Woche im westafrikanischen Nigeria ausgebrochen ist.
Schließlich treten Schwäne, Gänse oder Kraniche in den kommenden Wochen den Heimflug aus ihren Winterquartieren im Süden an: Tausende fliegen zum Beispiel aus Afrika über die Iberische Halbinsel nach Europa. Die Tiere, die auf ihrer Reise an der Vogelgrippe erkranken, kommen freilich nicht weit. Sie sterben zumeist innerhalb von 24 Stunden. Doch überlebt das Virus – im Kot der Vögel. Andere Tiere stecken sich an. H5N1 geht mit dem wanderfreudigen Federvieh auf Reisen.
Die Weltgesundheitsorganisation warnt aber vor Panik. Bislang handelt es sich nicht um eine Epidemie unter Menschen, sondern um eine Tierseuche. So bangen vor allem die deutschen Hühnerbauern. Erkrankt ein Tier, wird immer die Herde geschlachtet. Der Deutsche Bauernverband hält die Stallpflicht für eine „wichtige Vorsorgemaßnahme“. Das Gros der Landwirte hält sein Geflügel allerdings ohnehin in Agrarfabriken. Gerade mal 10 Prozent der 100 Millionen Hühner und Hähnchen in Deutschland laufen im Freien.
Die Stallpflicht trifft vor allem Biobauern. Thomas Dosch vom Anbauverband Bioland sieht Probleme: Im Herbst, als es zum ersten Mal das Ausgehverbot gab, hätten die Bauern ihr Vieh in leere Gewächshäuser gesteckt. Jetzt würden die Glashäuser aber wieder „für ihren eigentlichen Zweck“ gebraucht. Bauern müssten extra Unterkünfte bauen. Die Kosten für einen mittelgroßen Betrieb mit 3.000 Hennen schätzt Dosch auf 15.000 Euro. Er plädiert dafür, nur in Risikogebieten Stallzwang zu verhängen – „dort, wo Zugvögel landen“. Seehofer wehrte diesen Vorschlag ab: Für „Standesinteressen“ habe er „kein Verständnis“. Andere Länder sind weniger kategorisch: Österreich sperrt vorerst nur in der Steiermark Tiere ein. HANNA GERSMANN