der neunte tag
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Das Blasen hat sich gelohnt. Nachdem dieses Jahr sowohl Wettbewerb als auch Panorama und Forum massenweise deutsche Filme im Programm haben, sind nun die internationalen Verleihfirmen aufmerksam geworden. So gibt es bereits bei der italienischen Distributionsfirma Lucky Red und bei der französischen Ocean Film großes Interesse an Hans-Christian Schmids „Requiem“, der heute im Wettbewerb läuft. Dazu kommen noch Anfragen des in Berlin ansässigen Eastern European Acquisitions Pool (EEAP), die die Geschichte eines Exorzismusfalls in den 70er-Jahren in die osteuropäischen Kinos bringen wollen. Außerdem hat die EEAP auch Geschmack am toughen Neuköllner Kiez gefunden und wird nun Detlev Bucks „Knallhart“ vertreiben. Der ganz große Abräumer dieses Festivals ist allerdings Oskar Roehlers „Elementarteilchen“: Laut Variety ist der Wettbewerbsbeitrag von Celluloid Dreams bereits in 23 Länder verkauft worden. Wie heißt es in dem amerikanischen Branchenblatt so schön: „Die teutonic players blasen ins Horn.“

Aber was sind schon ein paar Elementarteilchen gegen „Kaltblütig“? 1965 erschien das gleichnamige Buch von Truman Capote über einen Vierfachmord in Kansas, der 1959 von zwei Desperados verübt worden war. Der Schriftsteller hatte damals für den New Yorker beim Prozess recherchiert, dann aber schnell gemerkt, dass da mehr zu holen war. Und so erschien nach fünfjähriger Arbeit, für die Capote immer wieder die beiden Mörder zuletzt sogar im Todestrakt besucht hatte, das über 340 Seiten lange Buch „In Cold Blood“.

Capote begründete damit nicht nur das Genre der „non-fiction novel“, er beendete auch kein weiteres Buch mehr. Bennett Millers Film „Capote“, der heute im Wettbewerb läuft, knüpft an diesem Punkt an: Was hat den prominenten Autor so sehr belastet, dass er bis zu seinem Tod 20 Jahre später eine Schreibkrise hatte? Zum Glück spekuliert Miller nicht, stattdessen verdichtet er die Dramaturgie der Fakten, die man in der Capote-Biografie von Gerald Clarke nachlesen kann. Wie sehr sich Capote von den Verbrechern angezogen fühlte und wie sehr ihn vor allem der Mörder Perry Smith faszinierte – hier der halbindianische Außenseiter, dort die schwule Glamourikone aus New York. Dass man dieser Psychologie aus Einfühlen und Identifizieren bis zum Schluss gebannt folgt, liegt an Philip Seymour Hoffman. Er spielt Capote, durch und durch. Nicht physisch, aber in jener Exaltiertheit, mit der sich auch Capote schon in den 50er-Jahren behauptete. Für diese Darstellung von Gay Pride und Camp würde man Hoffman gerne einen Teddy verleihen.