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: Shani Davis

Die amerikanische Nachrichten-Agentur AP leistete sich einen plakativen Einstieg in die Geschichte eines historischen Sieges: „Sagt, was ihr wollt über Shani Davis. Klagt ihn der Selbstsucht an. Lacht über ihn, weil er ein Muttersöhnchen ist. Aber vergesst eines nicht: Er ist auch Olympiasieger.“ Schreibt man solche bösen Sachen über einen Mann, der gerade als erster schwarzer Athlet eine Einzelmedaille bei Winterspielen gewonnen hat? Normalerweise nicht, aber Shani Davis, 23, geboren in Chicago, ist kein Typ wie der nette Joey Cheek, Sieger im Sprint über 500 Meter, der seine Prämien karitativen Organisationen spendet. Und schon gar nicht einer wie Chad Hedrick, Sieger über 5.000 Meter, der mit kerniger Kraft den Texaner gibt. „Ich bin einzigartig. Ich bin anders. Und viele Leute verstehen mich nicht“, sagt Davis.

Da feiern die amerikanischen Eisschnellläufer zum ersten Mal nach mehr als 50 Jahren wieder einen Doppelsieg in einem olympischen Männerrennen mit Gold für Davis und Silber für Cheek über 1.000 Meter, doch die rechte Freude darüber will nicht aufkommen. Vor allem bei Chad Hedrick nicht: „Er war schnell; das ist alles, was ich dazu zu sagen habe.“

Hedrick ist sauer, weil er sich von Davis um eine besondere Chance gebracht sieht. Vor den Spielen hatte er verkündet, er wolle wie weiland Eric Heiden 1980 in Lake Placid fünfmal Gold auf dem olympischen Oval gewinnen. Doch nach Davis’ Weigerung, im Mannschaftswettbewerb mit den amerikanischen Kollegen anzutreten, war klar, dass daraus nichts werden konnte. Davis argumentierte, er wolle sich als Weltrekordler und Favorit auf sein Rennen über 1.000 Meter konzentrieren – und das brachte ihm in der Heimat empörte Kommentare bis hin zu üblen Beschimpfungen ein.

Davis ist immer schon andere Wege gegangen. Weil sie fand, ihr Sohn werde wegen seiner Hautfarbe nicht wie die anderen Talente unterstützt, hatte sich Davis’ Mutter früh auf die Suche nach alternativen Wegen außerhalb des Verbandes begeben. Inzwischen lebt und trainiert Shani jenseits der Grenze in Calgary, und er leistet sich dort das Vergnügen eines doppelten Engagements: Eisschnelllauf und Shorttrack. Die Qualifikation für das olympische Shorttrack-Team verpasste er nur knapp. Dass er mit zwei ähnlichen Sportarten gut beschäftigt ist, macht ihm nichts aus. Ruh dich aus, wenn du tot bist, sagt er gern. Keine Frage, Shani Davis mag die Konfrontation, und er nimmt sich die Freiheit, Freunde nicht in Texas zu suchen. Einer seiner besten Buddys auf dem Eis kommt aus den Niederlanden, Erben Wennemars. Der gewann Bronze im Rennen über 1.000 Meter und gratulierte dem Sieger mit einer herzlichen Umarmung.

DORIS HENKEL