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Archiv-Artikel

Puff und Korruption

Nicht gegendarstellungsfähig: Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Ein Nachtrag und eine Personalie

Zu dem feinen Bericht vom Gerhard Henschel aus der taz vom 17. 2. 2006 über die Bildzeitung („Puff-Politiker fliegt raus“) ist nachzutragen, dass den Schmierern verboten wurde, den Bundestagsabgeordneten Gert Winkelmeier (der Mann erwarb einen Teil eines Vielwohnungshauses, in dem in zwei Einheiten Wohnungsprostitution betrieben wurde) mit dem Wort „Puff-Politiker“ zu belegen. Den Scheinheiligen aus dem Rot-Grün-Lichtmilieu des Deutschen Bundestages, den Bild-Zitier-Callgirls Kastner (SPD, Bundestags-Vize, fühlt sich laut Bild „geschockt“) und Scheel (Grüne, findet laut Bild „Das ist das Letzte!“), die W.’s Rücktritt verlangten, rufen wir in Erinnerung, dass unter tätiger Mitwirkung der beiden die rot-grüne Koalition im Jahre 2000 das „Prostitutionsgesetz“ verabschiedet hat. Dieses Gesetz stellt „das Schaffen eines angemessenen Arbeitsumfeldes“ für Huren ausdrücklich außer Strafe und sittlicher Missbilligung und schützt den Bestand entsprechender Verträge. Der gute W. hätte deshalb die Mietverträge gar nicht aufheben können. Das haben diese Charakterschweine „vergessen“, ihren Bild-Lesern mitzuteilen. Sie sollten künftig auch nicht vergessen: Bild behelligt ausgerechnet in Mainz ihre Leser in der Ausgabe vom 13. 2. 2006 auf einer drittel Seite mit ihren Sprüchen unter der Überschrift „Riesen-Empörung im deutschen Bundestag – Linker Politiker macht Geld mit ‚tabulosen Girls‘ “, und füllt den darunter liegenden Rest der Seite mit Anzeigen eben dieser „tabulosen Girls“ (schön zu sehen auf www.bildblog.de).

Zu einer Personalie der Hauptstadt-Justiz. Die leistet sich jetzt einen neuen „Korruptionsbeauftragten“. Das Pöstchen ist einem Oberstaatsanwalt anvertraut worden, nennen wir ihn F. In Berliner Lokalblättchen ließ der Mann sich dieser Tage feiern als „Dinosaurier“ und „harter Hund“. Er gibt – nicht uneitel – an mit „Erfolgen“ bei seinen Ermittlungen in der Westberliner „Antes-Affäre“, gegen organisierte Kriminalität (OK) und zuletzt gegen den Be- und Anscheißer-Schiedsrichter Hoyzer. Genauer hinsehen lohnt allerdings: Der „Antes-Skandal“ war eine Sumpfblüte der korruptiven Westberliner Subventionswirtschaft der 80er-Jahre. Der Fisch stank damals vom Kopfe her. Die Ermittlungen jedoch brachten Erfolge nur gegen Rand- und Unterweltfiguren wie „Otto Schwanz“, jüdischer Bauunternehmer und Holocaust-Opfer, zwei kleine Baustadträte (einer davon, der Namensgeber, schwer körperbehindert: Der Mann wurde im Knast so schlecht behandelt, dass ihm der Staat dafür Schmerzensgeld zahlen musste). An die Machthaber der Westberliner Korruptionswirtschaft kam F. nicht ran. Sie blieben unbehelligt. Auch seine Erfolge gegen die OK erweisen sich bei genauerem Hinsehen gerne als Schläge gegen ärmliche Kleinkriminelle, die zu „Schwerverbrechern“ aufgeblasen wurden, um den Sieg strahlender erscheinen zu lassen. F.’s eitles Bemühen, dem Haupt- und Zentraltäter Hoyzer aus seinen Schiedsrichterbetrügereien mit einer Bewährungsstrafe herauszuhelfen, scheiterte, weil sich die Richter seinem Ansinnen gegenüber unabhängig zeigten und Hoyzer mit einer unbedingten Haftstrafe sanktionierten.

F. ist eine typische Figur des alten Westberliner Milieus. Wer Beine hatte, verließ die Stadt, zurück blieb der traurige Rest. F. ist ein „armtwister“. Mangelnde juristische Finesse und fehlendes Geschick ersetzt er durch Rücksichtslosigkeit. In einem Urteil des LG Berlin aus dem Jahre 84 lesen wir über ein durch Haftdrohung erbeutetes, später widerrufenes Geständnis: „ Das … Geständnis (kann) nicht … verwertet werden. Der Angeklagte ist zu diesem Geständnis durch das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils … durch den dafür nicht zuständigen Staatsanwalt (F.) veranlasst worden.“ F. hatte mit Haft gedroht, für den Fall des Geständnis jedoch die Haftentlassung versprochen.

Korruption ist ein halbseidenes Geschäft. Wer sich da offenbaren soll, muss Vertrauen entwickeln können. F. ist dafür genau die falsche Type. Wer also die Aufklärung von Korruption in Berlin nicht fördern will, wird zu dessen Ernennung zum Korruptionsbeauftragten applaudieren.