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Archiv-Artikel

Teherans Anwalt vor schwieriger Mission

Heute beginnen in Moskau russisch-iranische Gespräche in Sachen Atomprogramm. Der Kreml wird versuchen, Iran zu einer gemeinsamen Urananreicherung in Russland zu bewegen. Das Ziel ist, UN-Sanktionen gegen Teheran vorerst abzuwenden

Moskau oszilliert zwischen Westorientierung und einer Sonderrolle Russland setzte die Hamas nie auf die Liste terroristischer Organisationen

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Geduld zeigt der Kreml im Umgang mit der Regierung in Teheran, deren Vertreter heute zu Gesprächen in Moskau erwartet werden. Noch einmal wird Präsident Wladimir Putin mit Engelszungen auf die Perser einreden, dem Kompromiss einer gemeinsamen Urananreicherung auf russischem Boden zuzustimmen. Die Gefahr, dass der UN-Sicherheitsrat wie angedroht Sanktionen verhängt, wäre zumindest vorübergehend gebannt. Sollten sich die Unterhändler weiter bockig zeigen, dürfte auch Irans russischer Anwalt nicht umhinkommen, durch Stimmenthaltung im Sicherheitsrat den Weg für Sanktionen freizugeben.

Russlands Außenpolitik steht vor einem Dilemma. Um das Image, ein halbherziger Partner zu sein, nicht zu verstärken, muss Moskau mit dem Westen an einem Strang ziehen und riskiert, dass die Beziehungen zum Iran, in dem der Kremlchef „seit langem einen stabilen Partner“ sieht, Schaden nehmen.

Die innere Zerrissenheit kennzeichnet Moskaus Außenpolitik seit dem Zusammenbruch der UdSSR. Auch nach 15 Jahren hat sich weder die politische Elite noch die Mehrheit der Bürger entschieden, welchen Platz man in der Weltordnung einnehmen will. Daher das Oszillieren zwischen Westorientierung und dem Beharren auf einer Sonderrolle. Nur auf eine Konstante Moskauer Außenpolitik ist Verlass: die Ablehnung der globalen Vorherrschaft der USA, die der Kreml mit dem Konzept einer Multipolarität einzudämmen versucht. Anstrengungen, Indien und China für eine Anti-US-Entente zu gewinnen, brachten bislang nur mäßigen Erfolg.

Im Rahmen der Multipolarität dachte Moskau für den Nahen und Mittleren Osten Iran die Rolle des strategischen Partners zu. Mit der Brandmarkung Irans durch die USA als Schurkenstaat empfahl sich Teheran geradezu als gleich gesinnter Partner. Überdies decken sich auch beider Interessen im energiereichen Kaspiraum, wo Iran und Russland als größte Anrainer dem Vordringen Washingtons Einhalt gebieten wollen.

Auf dem Höhepunkt der Antiterrorkoalition 2002 hob Putin den „iranischen Beitrag zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ hervor – obwohl sich der Kreml in der Antiterrorkoalition nach dem 11. September als Speerspitze gerierte. Von der Sponsorenrolle Teherans gegenüber der Hisbollah im Libanon und der Hamas in den Palästinensergebieten ließ sich der Kreml nicht irritieren.

Dem liegt eine interne Logik zugrunde. Moskau setzte die Hamas nie auf die Liste terroristischer Organisationen. Nach deren Wahlsieg wies Putin fast triumphierend darauf hin. Moskaus Terrorverständnis unterliegt einer engeren und variablen Definition. Davon ausgenommen ist gegen Russland gerichteter Terror wie im Falle Tschetscheniens.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum der Kremlchef den Antiterrorbeitrag des Iran hervorhob: Im Tschetschenienkrieg hält sich Teheran zurück und verzichtet auf Revolutionsexport. Nie hat Teheran an dem mörderischen Feldzug gegen Glaubensbrüder im Nordkaukasus öffentlich Kritik geübt. Ähnlich reibungslos funktionierte schon die Kooperation im tadschikischen Bürgerkrieg Mitte der 90er-Jahre. Teheran versagte der islamistischen Opposition die Hilfe und hielt dem Kreml den Rücken frei, um zwischen der Opposition und moskautreuen Kräften zu vermitteln. Ansätze einer strategischen Partnerschaft gibt es. So betrieb Moskau auch die Aufnahme Irans als Beobachter in die Schanghai-Organisation, der China, Kirgisien, Kasachstan, Usbekistan und Russland angehören.

Wirtschaftliche Motive spielen auch eine Rolle. Die Errichtung des Atomkraftwerks in Buschehr bringt Russland rund eine Milliarde US-Dollar ein, der Bau von weiteren 6 Reaktoren wurde vereinbart. Waffenkäufer Iran liegt mit 400 Millionen US-Dollar im Jahr nach China und Indien an dritter Stelle. Dennoch sind wirtschaftliche Interessen geopolitischen nachgeordnet. Visionen zirkulieren in Moskau, die beide Aspekte verknüpfen: Im Energiebereich könnte eine iranisch-russische Zusammenarbeit in 20 Jahren dazu führen, energiepolitisch den südostasiatischen Raum zu beherrschen.

Greift Iran Moskaus Angebot zur gemeinsamen Urananreicherung nicht auf, sind die guten Beziehungen der Nachbarn gefährdet. An einer fundamentalistischen Atommacht an seiner Südflanke ist auch Russland nicht gelegen. Erstmals erbost reagierte Russlands Außenminister Sergej Lawrow im Januar, als Teheran die Forschungen zur Urananreicherung wieder aufgenommen hatte: Das Fehlen wirtschaftlicher Logik und praktischer Notwendigkeit nähre den Verdacht, dieses Programm habe geheime militärische Aspekte.