Streikschichten für den Produktionserhalt

Die Beschäftigten der Spandauer Baumaschinenfirma CNH wollen die geplante Werksschließung verhindern

Bei diesem Streik stehen Angestellte in vorderster Front. Thomas Jahn zum Beispiel, 42-jähriger Controller beim Spandauer Baumaschinenhersteller CNH, der zur Jahresmitte dichtmachen will. Vor fünf Jahren ist Jahn „mit Kind und Kegel“, wie er sagt, aus Dortmund nach Berlin gekommen, hat sich im Umland ein Häuschen gekauft. Verlöre er nun seinen Job, wären seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt, verglichen mit anderen Kollegen, wohl gar nicht so schlecht – allerdings nicht in der Region. Es sei denn, er nähme deutliche Lohneinbußen in Kauf. „Aber wer will alle fünf Jahre umziehen?“, fragt Jahn. Damit es nicht so weit kommt, hat er sich eine rote IG-Metall-Weste übergezogen und schiebt Wache an einer der Tonnen vor dem Werkstor, in denen alte Paletten verbrannt werden.

Seit gestern Morgen streiken die rund 500 Spandauer CNH-Beschäftigten. Sie fordern einen Sozialtarifvertrag. Das ist ein Sozialplan, der tarifvertraglich zwischen Unternehmen und Gewerkschaft abgeschlossen wird – und während der Verhandlungen der Gewerkschaft rechtlich die Möglichkeit zum Streik bietet. Hauptforderung ist die Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft, in der sich die Mitarbeiter zwei Jahre lang zum alten Lohn weiterbilden können. Darüber hinaus geht es um die Übernahme der Azubis und Abfindungen.

Insgeheim hoffen die Streikenden aber darauf, die Fiat-Tochter CNH zur Fortsetzung der Produktion in Spandau zu zwingen. Möglicherweise setzen sich die kühlen Rechner im italienischen Konzern durch: Wenn Produktionsausfall, die Kosten für den Sozialtarifvertrag und die Millionen-Rückforderungen des Berliner Senats insgesamt teurer seien als die Einsparungen durch die Werksschließung, könnten weiterhin Bagger von den Spandauer Bändern laufen, hoffen sie. Wenn nicht, wollen sie für sich so viel wie möglich herausholen. Die Motive dafür liegen auf der Hand. „In meinem Alter kriege ich doch keinen Job mehr“, sagt ein 55-jähriger Streikender. Irgendwie müsse er es bis zur Rente schaffen. Die Rente mit 67 findet er einen Hohn. Ein jüngerer Kollege macht sich andere Sorgen. „Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit kommt Hartz IV – und dann?“

Die Streikenden, die auf Unterstützung der Berliner hoffen, haben einen langen Atem, sagen sie. Zumindest der Streikauftakt scheint generalstabsmäßig geplant zu sein: Auf dem Parkplatz vor der Firma ist ein beheiztes Bierzelt aufgebaut, in dem sich die Streikenden mit Tischkicker die Zeit vertreiben. Etwas abseits stehen Bau-Toiletten, eine Bühne mit einer leistungsstarken Musikanlage sowie ein provisorisches Büro, in dem die Metaller Streikgeld beantragen. Transparente und Fahnen fehlen ebenso wenig wie ein ausgeklügeltes Schichtsystem für die Streikposten, die sich alle sechs Stunden abwechseln. Sogar an ein Parkverbot vor dem Firmengelände, auf dem dutzende nagelneue Bagger auf die Auslieferung warten, wurde gedacht.

Controller Jahn jedenfalls wird schon heute wieder auf dem Posten sein. Jahn steht an der brennenden Tonne, wärmt sich die Hände und Beine. „Grazie Fiat“, steht auf einem Schild am Zaun – und aus den Boxen dröhnt der AC/DC-Song „Highway to Hell“. RICHARD ROTHER