: „Ein perverser Ausschnitt“
FOTOWETTBEWERB Was ist ein kritisches Foto? Das von zerdrückten Ameisen oder eher radikale Details?
■ 47, freier Fotograf der „Fotoetage“. Er hat Grafik-Design und Fotografie studiert und war Fotograf der taz.bremen.
taz: Herr Wolff, haben Sie schon mal ein Haar in einer Suppe fotografiert?
Nikolai Wolff: Nein. Auch kritische Fotos in einem politischen Sinne eher weniger. Ich weiß auch nicht, ob Fotografie das heutzutage noch leisten kann.
Der taz-Fotowettbewerb auf der Breminale fordert heraus, alles kritisch zu sehen …
Man kann natürlich sagen, die Ameisen werden von den Zelten zerdrückt, die Musiker bekommen zu wenig Geld oder man ist gegen den ganzen Hedonismus, gegen den Alkohol. Aber ich hätte eher anderes im Sinn.
Und zwar?
Radikale Fotos – ästhetisch radikal. Das wäre möglich, geht überall und wird auch viel gemacht.
Wie sehen radikale Fotos aus?
Für mich sind es die richtigen Details, richtige Ausschnitte. Ich finde insofern alles an der Fotografie radikal, weil sie ein perverser Ausschnitt von der Welt ist, ein Fetzen, ein Ausriss.
Beschränkt sich radikale Ästhetik auf den Bildausschnitt?
Es können auch unscharfe Bilder sein, aber man muss hinkriegen, dass die Fotos nicht aussehen, als wären sie nicht gekonnt.
Der sowjetische Filmtheoretiker Dsiga Vertov sah das revolutionäre Potenzial vor allem im Foto- Apparat , in der Linse, die die Welt objektiv einfängt.
Ich glaube, dass Fotografie Anfang des 20. Jahrhunderts noch eine andere Rolle hatte, eine andere aufdeckende Wirkung – eigentlich bis Vietnam. Da haben die Leute Bilder gesehen und gesagt: ‚So darf es nicht weitergehen‘. Nach Vietnam hat das Fernsehen viel davon übernommen. In Magazinen sieht man kaum noch politische Reportagen. Aber, was hat die taz denn überhaupt vor?
Bis 17 Uhr können alle ihre Fotos an foto@taz-bremen.de schicken. Das beste kommt in die nächste Ausgabe – und die wird noch am Abend kostenlos auf der Breminale verteilt. Das wäre schon Gewinn genug, aber oben drauf gibt’s ein halbes Pfund Bio-Fairtrade-Kaffee und ein Espresso-Set.
Na dann bin ich mal gespannt. Interview: JPB
Breminale-Eröffnung: 18 Uhr, taz-Stand ab Donnerstag auf der „tanzenden Wiese“