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Archiv-Artikel

Du schaffst das!

ISLAM Während des Ramadan verzichtet unsere Autorin zeitweise auf Nahrung. Für sie ist der Fastenmonat aber nicht nur mit Hungern verbunden, sondern auch mit Spaß

Zu Ramadan packt jeden Muslim die Einladungswut. So als wäre es eine persönliche Beleidigung, wenn man nicht mindestens die gesamte Stadt bewirtet und durchfüttert

VON KÜBRA GÜMÜSAY

Die Fastenzeit hat begonnen. Zwar können wir Muslime uns weltweit wieder einmal nicht auf das Datum einigen, weil wir uns nach dem Mondkalender richten und der offen für Interpretationen ist. Aber seit gestern oder spätestens seit heute ernähren wir uns von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ausschließlich von Sauerstoff.

Eigentlich geht es im Ramadan um Besinnlichkeit, Spiritualität und Selbstkontrolle. Ein Monat, in dem man sich der Seele und den Sinnen widmet, mehr betet und liest als sonst, das Leben überdenkt und an sich arbeitet. Ein Monat, der daran erinnert, wie wenig man eigentlich für Glück braucht.

Das ist der eine, der spirituelle Teil des Ramadan. Der andere Teil ist eine riesengroße Party.

Denn im Ramadan ist es, als würde sich die gesamte muslimische Population verdoppeln, multiplizieren und quadrieren. Arbeitskollegen, von denen man bis dato nicht wusste, dass sie muslimisch sind, Freunde, Nachbarn und Kommilitonen. Die „Ramadan-Muslime“!, so nennt man inoffiziell die sonst weniger praktizierenden Muslime, die im Ramadan plötzlich mit einem lauten „Überraschung!“ in der Moschee auftauchen, besinnlich werden und fleißig mithungern.

Auch ich gehöre zu den Millionen, die nun fasten. Hier meine ganz persönlichen Ramadan-Top-5 der nichtspirituellen Höhepunkte:

1. Verschlafen – oder der allmorgendliche Triathlon: Morgens vor der Morgendämmerung hektisch aufwachen, nach unten in die Küche stürmen und versuchen, wenigstens ein Stück Brot runterzuwürgen. Und dann ruft jemand: „Noch fünf Minuten! Auf Kommando trinken alle Wasser um ihr Leben. Bis jemand ruft: „Aus, aus! Das Spiel ist aus!“

2. Der Solidaritätsblick: Eigentlich gibt es den Solidaritätsblick auch außerhalb des Ramadan. Etwa, wenn sich Muslime auf der Straße begegnen. Ein leises „Salamunaleikum“-Gemurmel, begleitetet von einem kurzen Nicken und Lächeln, das so viel heißt wie: „Ich weiß, dass du weißt, dass ich weiß, dass du Muslim bist. Yeah.“

Im Ramadan gewinnt dieser Blick aber an neuer Bedeutung, vor allem beim Vorbeigehen an gut riechenden Restaurants. Da heißt der Solidaritätsblick: „Halt durch, es ist nicht mehr lang! Noch 5 Stunden, 14 Minuten, 34 Sekunden und 28 Millisekunden. Das packst du!

3. Einladungswut: Pünktlich zu Ramadan packt jeden Muslim die Einladungswut. So als wäre es eine persönliche Beleidigung, wenn man nicht mindestens die gesamte Stadt durchfüttert. Deshalb laden manche nicht nur zum Iftar, dem Fastenbrechen, ein, sondern auch zum Sahur, dem Essen vor Fastenbeginn. Drei Einladungen zum gleichen Fastenbrechen aus unterschiedlichen Ecken der Stadt sind aber das geringste Problem, denn …

4. … Kochwut: Es wird so fürchterlich viel gekocht, dass das viele leckere Essen nie, nie, nie – noch nie in meinen 25 Jahren – fertig gegessen wurde und wir in leere Töpfe blicken mussten.

5. Größenwahnsinn: Weil man seit Sonnenaufgang weder getrunken noch gegessen hat, glaubt Muslim beim Essenauffüllen, er/sie könnte die ganze Welt verschlingen. Alles auf den Teller! Entsprechend erstaunt der Blick, wenn Muslim – inzwischen satt – auf seinen Teller blickt, dessen Boden er noch nicht mal erreichen konnte.

Der ultimative, spirituelle Höhepunkt ist aber das Fastenbrechen selber: Der Moment, in dem sich jeder eine Dattel greift, auf die Uhr blickt, den Blick senkt und sich besinnt, dankt, denkt, bedenkt und fühlt. Die wunderbare Stille wird behutsam vom Gebetsruf unterbrochen, den jemand vorträgt. Manchmal kann dieser Moment so ergreifend sein, dass man nur zögerlich die Dattel zum Mund führt. Noch einen kurzen Moment diese Bescheidenheit und Demut genießen möchte. Denn das Fasten lässt fühlen. Ramadan Kareem!

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