Keine Panik!

1. Tote Vögel im Spätwinter sind vollkommen normal in Deutschland. „Trotz der Vogelgrippe ist die Sterblichkeit der Vögel auf Rügen bisher nicht höher als in anderen Jahren“, sagt Wolfgang Fiedler vom Max-Planck Institut für Ornithologie der taz. Die allermeisten Vögel sterben an Auszehrung, Futtermangel und der Kälte. Auf Rügen stirbt jedes Jahr allein die Hälfte der 1.200 Jungschwäne wegen der Witterung.

2. „Menschen haben keinen Grund zur Panik. Weil sie eben keine Vögel sind“, sagt der Vogelforscher Wolfgang Fiedler: Vogelgrippe ist eine Tierseuche wie Maul-und-Klauen-Seuche oder Schweinepest. Sie hat nichts mit der menschlichen Influenza zu tun, betont auch Thomas Mettenleiter vom Bundesinstitut für Tiergesundheit.

3. Das H5N1-Virus ist in Deutschland schon angekommen. Der Vogelzug – die Rückkehr vieler Vögel aus ihren Winterquartieren – wird die Situation aber nicht signifikant verschlimmern, meint der Ornithologe Wolfgang Fidler. Das H5N1-Virus wird sehr wahrscheinlich auch in weiteren Bundesländern auftauchen. Für die Menschen bedeutet das, zu lernen, mit der Vogelgrippe zu leben – wie mit anderen Tierseuchen oder alltäglichen Gefahren.

4. Eine Infektion des Menschen durch H5N1 ist sehr selten. Wer nicht mit Körperflüssigkeiten, Kot und Blut infizierter Tiere in Kontakt kommt, hat nichts zu befürchten. Eine Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch wurde auch noch nie beobachtet. Die Mehrzahl der infizierten Menschen hat sich angesteckt, weil sie sehr engen Kontakt zu Geflügel hatten. Davon waren vor allem in Asien in den vergangenen neun Jahren Menschen durch die pathogene Variante „H5N1 Asia“ betroffen.

5. Selbst wenn sich das H5N1-Virus in Deutschland weiter ausbreitet, wird die Krankheit beherrschbar bleiben. Die Türkei ist dafür ein gutes Beispiel. Ähnlich wie auf Rügen liefen dort die Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus nur schleppend an. Sogar Menschen hatten sich dort an ihrem Hausgeflügel infiziert. Von insgesamt 21 infizierten Menschen konnten in der Türkei 17 durch frühzeitige medizinische Hilfe gerettet werden. Mit einer konsequenten Tötung der gefährdeten Geflügelbestände wurde die Seuche gestoppt. Deshalb wurden seit Dezember mehr als 2,2 Millionen Vögel getötet. Seitdem gab es dort keine neuen menschlichen Infektionen mehr.

6. Das Risiko, an der Vogelgrippe zu sterben, ist statistisch kaum messbar. Weltweit gab es bisher 91 Todesfälle. Diese Zahl sollte man im Vergleich zu anderen Gefahren betrachten: Allein in Deutschland starben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2004 19.094 Bürger an Lungenentzündung und Grippe. 462.600 Menschen wurden im vergangenen Jahr in Deutschland im Straßenverkehr verletzt, 6.606 Menschen wurden getötet. Wir werden lernen, auch mit der Vogelgrippe zu leben.

7. Offenbar gibt es große Unterschiede, wie empfindlich Tiere auf das H5N1-Virus reagieren. Tauben können daran erkranken, sie übertragen es aber kaum, hat das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems herausgefunden. Im Gegensatz zu Geflügel infizieren sich auch Singvögel, Krähen, Störche und Spatzen nur schwer oder gar nicht. Haustiere könnten sich in Deutschland nur anstecken, wenn sie mit infizierten Tieren in Kontakt kommen. Katzen wurden in Versuchen gezielt mit H5N1 infiziert. In Thailand untersuchte das Nationale Institut für Tiergesundheit 629 Straßenhunde: Das Vogelgrippevirus wurde in keinem Hund nachgewiesen, allerdings wurden bei 160 Hunden Antikörper für H5N1 gefunden. Hunde und Katzen sollten keine Vögel jagen. Dann besteht für sie keine Gefahr.

8. H5N1 ist nicht gleich H5N1. Es gibt hoch ansteckende und wenig ansteckende Varianten des Virus. Die Diagnose „H5N1“ gibt noch keine endgültige Auskunft über die Gefährlichkeit des Virus im Einzelfall. Dafür muss man das Erbgut des Virus genauer untersuchen. Das moderne Referenzlabor des Bundesinstituts für Tiergesundheit kann diese Analyse innerhalb eines Tages durchführen.

9. Eine „normale“ Grippeimpfung kann bei Menschen die mögliche Gefahr durch das H5N1-Virus drastisch reduzieren. Denn Virologen befürchten, dass sich das Vogelgrippevirus im Körper eines an der „normalen“ Grippe erkrankten Patienten mit dem Erreger der Menschen-Influenza vermischt. Er kann so die hochinfektiöse Eigenschaft des Grippevirus übernehmen. Doch je weniger Menschen den normalen Grippevirus in sich tragen, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden Influenzaviren im Körper eines Menschen aufeinander treffen und es zu einem Genaustausch kommt.

10. Impfstoffe gegen die normale Grippe sind ausreichend vorhanden. Zwar gab es vor einigen Monaten einen Engpass, der ist aber überwunden. Für Risikopatienten wie Kinder, ältere Menschen oder Kranke ist die Grippeimpfung kostenlos. Bei anderen Patienten gehen die Krankenkassen jedoch mit der Kostenübernahme unterschiedlich um. Einige übernehmen die Grippeimpfung, andere wiederum weigern sich. Auf jeden Fall muss keine Praxisgebühr bezahlt werden.

11. Der Verzehr von Geflügelfleisch und Eiern ist ungefährlich, da H5N1 in Deutschland nicht bei Nutzgeflügel auftaucht. Eine Infektion von Geflügel würde sehr schnell erkannt werden, weil die Geflügelindustrie die Geflügelställe systematisch beobachtet. Geflügel reagiert sehr empfindlich auf das Virus. Die Krankheit bricht schnell aus, und die Tiere sterben in der Regel zwei Tage nach der Infektion. Grundsätzlich empfiehlt das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Geflügelfleisch und Eier zu kochen.

12. Im Ernstfall ist Hilfe ist in Sicht. Selbst wenn H5N1 mutiert, steht ein maßgeschneiderter Impfstoff binnen wenigen Wochen zur Verfügung. Deutschlands größter Impfstoffhersteller GlaxoSmithKline startet im März erste klinische Studien für einen menschlichen H5N1-Impfstoff. „Wir bereiten damit ein neues Herstellungsverfahren vor, das den Vollvirus von H5N1 für den Impfstoff verwendet und nicht nur Virusbestandteile“, sagte Florian Matrius von GlaxoSmithKline. Die Verwendung des Vollvirus erhöht die Wirkung der Impfung. Sollte eine von Mensch zu Mensch übertragbare H5N1-Variante auftauchen, würde nach kurzer Zeit ein passender Impfstoff verfügbar sein.

13. Einen persönlichen Vorrat des Grippemittels Tamiflu anzulegen ist nicht nötig. Ähnlich sinnvoll wäre es, sich schon mal auf Vorrat einen Herzschrittmacher zu besorgen. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Tamiflu jemals benötigt wird. Es ist außerdem verschreibungspflichtig. Den Gang zur Apotheke, um das Medikament auf Verdacht zu kaufen, kann man sich also sparen. Ein falscher Einsatz von Tamiflu kann außerdem mehr schaden als nützen. Das Medikament hat zudem eine begrenzte Haltbarkeit, wahrscheinlich müsste die eigene Packung Tamiflu entsorgt werden.

14. Die Risikoeinschätzung für eine weltweite Pandemie hat sich auch durch die mit H5N1 infizierten Wildvögel in Mecklenburg-Vorpommern nicht verändert. Untersuchungen zeigen, dass der jetzt in Deutschland angekommene Vogelgrippevirus gegenüber dem südostasiatischen Ausgangstyp keine wesentlich anderen Eigenschaften hat. Er ist nicht infektiöser, die Vogelgrippe ist immer noch eine Tierseuche. Nur wenn das Virus auch für den Menschen hochinfektiös wird, besteht die Gefahr einer weltweiten Pandemie. Dazu muss es nicht kommen. Zwar warnen Epidemiologen seit längerem schon, dass eine für Millionen von Menschen tödliche Grippepandemie die Welt heimsuchen könnte. Doch dass H5N1 auch das Virus sein wird, das diese befürchtete Grippepandemie auslöst, ist nicht zwangsläufig. Es kann auch ein ganz anderes Vogelgrippevirus sein. Zum Beispiel ein Virustyp, der bisher als ziemlich harmlos eingestuft wird. Bisher jedenfalls haben Wissenschaftler noch keine Hinweise gefunden, dass H5N1 seine infektiösen Eigenschaften verändert hat. Dabei muss auch bedacht werden, dass das Virus sich jetzt schon seit fast zehn Jahren in Südostasien ausbreitet und Millionen von Tieren infiziert hat. Das heißt, bisher war das Virus relativ stabil.

15. Tiere können geimpft werden. Für die Experten ist es fast nur noch eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland die ersten in die Ställe verbannten Nutztierbestände mit H5N1 infiziert sein werden. Für manch einen Tierhalter kann das der finanzielle Ruin sein. Das bedeutet aber noch nicht, dass es dann auch zu tödlichen Infektionen von Menschen kommen muss. Die Vogelgrippeepidemie vor einigen Jahren in den Niederlanden hat gezeigt, dass auch flächendeckende Infektionen mit rigiden Maßnahmen in den Griff zu bekommen sind. Rund 30 Millionen Tiere wurden seinerzeit in den Niederlanden getötet. Mehrere Menschen wurden infiziert, ein Tierarzt, der sehr engen Kontakt zu erkranktem Geflügel hatte, starb. Unter anderem auch, weil er sich zu spät gegen die Vogelgrippe behandeln ließ. In den Niederlanden ging man auch dazu über, alles Geflügel in der Nachbarschaft von Infektionsherden gegen die Vogelgrippe zu impfen. Die Tiere dürfen dann nicht mehr importiert werden, weil nicht mehr unterschieden werden kann, ob sie geimpft worden sind oder ob sie Virusträger und -ausscheider sind. In Deutschland gibt es noch massiven Widerstand gegen eine derartige Ringimpfung. Vor allem die Geflügelzüchter sprechen sich dagegen aus, weil sie massive wirtschaftliche Einbußen befürchten. Aber spätestens wenn auch bei uns Millionen von Tieren gekeult werden müssen, wird man vermutlich auch auf diese Maßnahme zurückgreifen.

16. ABC-Schutzanzüge und Gasmasken gehören zum Standardprogramm der Bundeswehr. Der Auftritt ist öffentlichkeitswirksam, aber nur eine Vorsichtsmaßnahme für die Soldaten.

17. Urlaub auf Rügen ist immer noch schön. Wer auf die Insel fahren will, sollte dies tun – am besten staufrei mit der Bahn. TARIK AHMIA, WOLFGANG LÖHR