Mansur legt Zeitplan vor

ÄGYPTEN Interimspräsident gibt Weg zu Wahlen bekannt. Volk soll neue Verfassung absegnen. Arabische Milliardenhilfe in Aussicht

„Das ist das Dekret eines von Putschisten nominierten Mannes“

ESSAM AL-ERIAN, MUSLIMBRÜDER

KAIRO afp/ap/rtr | Ägyptens Übergangspräsident Adli Mansur will das Land mit baldigen Parlamentswahlen und einer überarbeiteten Verfassung aus der Staatskrise führen. Der Interimsnachfolger des am 3. Juli vom Militär gestürzten Islamisten Mohammed Mursi legte am Montagabend einen detaillierten Zeitplan vor, dem zufolge die Übergangsphase binnen maximal 210 Tagen abgeschlossen sein und spätestens im Februar eine neue Volksvertretung zusammentreten soll.

Zuvor waren bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Mursi-Anhängern laut Rettungskräften 51 Menschen getötet und mehr als 430 verletzt wurden. 650 Personen sollen festgenommen worden sein. Bei den meisten handele es sich um Anhänger des gestürzten Staatschefs Mohammed Mursi, teilte ein Sicherheitsbeamter am Dienstag mit.

Mansur ordnete eine Untersuchung des Vorfalls an und skizzierte am Abend in einem Verfassungsdekret die geplante Machtübergabe an eine demokratisch legitimierte Staatsführung.

Demnach soll binnen zwei Wochen ein Expertenausschuss gebildet werden, der dann in drei Monaten gemeinsam mit einem Gremium aus Vertretern aller gesellschaftlichen Gruppen die islamistisch geprägte Landesverfassung überarbeiten soll. Über den Entwurf soll das Volk anschließend abstimmen.

Nehmen die Ägypter diese Verfassung an, sollen spätestens in zweieinhalb Monaten ein neues Parlament und nach dessen konstituierender Sitzung auch ein neues Staatsoberhaupt gewählt werden. Bis dahin bliebe die Gesetzeshoheit beim Übergangspräsidenten nach Konsultation mit der noch zu bildenden Übergangsregierung. Mansurs 33 Artikel starkes Dekret sieht zudem vor, dass der künftige Staatschef die exekutive Gewalt ausübt und die Justiz unabhängig ist.

Ein ranghohes Mitglied der Muslimbrüder fasste die Kritik seiner Partei in deutliche Worte: „Das Verfassungsdekret eines von Putschisten nominierten Mannes wirft das Land wieder auf den Nullpunkt zurück“, schrieb Essam al-Erian auf Facebook.

Die salafistische Nur-Partei wies das Dekret ebenfalls zurück. Das Dokument stehe im Widerspruch zu vorab getroffenen Absprachen, vor allem hinsichtlich der Artikel, die von der islamischen Identität Ägyptens handelten. Laut einem Fernsehbericht schlug die Nur-Partei unterdessen ein Referendum über die Zukunft Mursis vor.

Die Muslimbruderschaft rief wegen des „Massakers“ an ihren Anhängern zu einem landesweiten „Aufstand des ägyptischen Volkes“ auf. „Jede Provinz organisiert heute eigene Begräbniszeremonien und Demonstrationen“, sagte ein Parteisprecher am Dienstag. Allein vor der Moschee Rabaa al-Adawija in Kairo versammelten sich wieder Tausende Anhänger Mursis zu Protesten. Nach der Gewalt vom Vortag hatten sich Islamisten und Sicherheitskräfte gegenseitig die Schuld für die Zusammenstöße vor dem Sitz der Republikanischen Garde in Kairo gegeben.

Übergangspräsident Mansur kann gut eine Woche nach dem Putsch offenbar mit großzügiger finanzieller Unterstützung aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten rechnen. Letztere hätten zugesagt, Ägypten mit einer Beihilfe in Höhe von 1 Milliarde Dollar zu unterstützen und darüber hinaus 2 Milliarden Dollar zu leihen, sagte eine mit den Gesprächen vertraute Person am Dienstag. Zudem werde ein Kredit über 2 Milliarden Dollar aus Saudi-Arabien erwartet.