Islamisten verlieren Partner

MAROKKO Säkulare Partei verlässt die Regierung

MADRID taz | Marokkos islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) unter Ministerpräsidenten Abdelilah Benkirane hat ein Problem. Fünf der sechs Minister des größte Koalitionspartners, der historischen Unabhängigkeitspartei Istiklal, sind am Mittwoch aus der Regierung ausgestiegen. Die säkulare Partei zieht damit einen Schlussstrich unter ihre Beteiligung an der ersten von Islamisten geführten Koalition des nordafrikanischen Landes, die seit 2011 im Amt ist.

Istiklal-Chef Hamid Chabat wollte bereits im Mai aus der Regierung aussteigen, wurde aber von König Mohammed VI. gebremst. Chabat wirft Benkirane ein verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik vor. Das Haushaltsdefizit stieg 2012 auf über 7 Prozent. Den Ausschlag für den Rücktritt der Minister dürfte aber die Entwicklung in Ägypten gegeben haben. Benkiranes PJD stellte sich hinter den gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi, Istiklal und das Königshaus hinter die neue Ordnung.

Jetzt muss die PJD einen neuen Koalitionspartner finden oder Neuwahlen werden nötig. Möglicherweise tritt die Nationale Versammlung Unabhängiger (RNI) in die Regierung ein. Diese Partei wurde unter Hassan II., dem Vater des heutigen Königs, gegründet und gilt als völlig palasthörig.

Mohammed VI. dürfte es an Neuwahlen nicht gelegen sein. Denn in diesem Falle würden die Islamisten wohl erneut gewinnen. Viele Marokkaner suchen die Schuld für die Untätigkeit der Regierung nicht bei Benkirane und seinen Islamisten, sondern bei den Koalitionspartnern. Diese hatte immer wieder – im Einklang mit dem Königshaus – Initiativen gebremst. So zum Beispiel den Versuch, das Staatsfernsehen zu islamisieren.

REINER WANDLER