: Das Stereotyp des absolut Bösen
betr.: „Muslimisches ‚Wir‘ “ über den türkischen Film „Tal der Wölfe“, taz vom 22. 2. 06
Ich habe den Film noch nicht gesehen, stelle mir aber vor, dass er in die Reihe der Filme gehört, die in den Videotheken ca. 80 Prozent des Angebots bestimmen. Ich vermute daher, dass dieser Film – wie ein überwältigend großer Teil unserer Filmproduktion – nicht geeignet ist, im Bildungsprogramm unserer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gezeigt zu werden. Wahrscheinlich verherrlicht er – wiederum wie sehr viele Filme in unseren Kinos und im Fernsehen – die Gewalt und schert sich nicht um wenigstens halbwegs politisch korrekte Darstellungen. Und so bestätigen Sie das ja auch, indem Sie auf Schwarzenegger-Filme und Big-Brother-Serien rekurrieren.
Eine Analyse der meisten dieser Filme würde einen wahrscheinlich in tiefe Depressionen stürzen angesichts der bizarren Weltbilder in Kombination mit den hohen Zuschauerzahlen, auf die man dabei stößt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Filme gewaltverherrlichend, aber „in eine Systemauseinandersetzung eingebettet“, oder auch noch rassistisch sind. Die Stereotype des absolut Bösen haben auch in Filmen immer eine Nationalität und ein Geschlecht und eine Zuordnung zu einer sozialen Schicht (Nazi-Chargen, Russen, Koreaner, überhaupt Asiaten, eiskalte Geschäftsleute, korrupte Politiker, südamerikanische Drogendealer). Und sie tragen in der Regel nicht zur Völker- oder Geschlechterverständigung oder zu politisch korrektem Verhalten gegenüber Minderheiten bei.
Ich kann deshalb beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum ein Film, in dem nur allzu bekannte Stereotype des absolut Bösen neu zu einem antiwestlichen Statement gruppiert werden, anders diskutiert werden muss, als ein sehr, sehr großer Teil unserer westlichen Filmproduktion. Am Ende hat dieser Film dem sonstigen Müll voraus, dass er sich mit einem brandaktuellen Thema befasst und eine außereuropäische Position vertritt. Ich werde mir den Film jetzt anschauen, so wie annoduzemal „Independence Day“ oder „Starship Troopers“. MICHAEL KIOMETZIS, Berlin