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Archiv-Artikel

Prächtiges Paradebeispiel

UNIVERSIADE Russland scheut bereits bei den Studentenspielen in Kasan zu Propagandazwecken keine Kosten, um als Gastgeber zu beeindrucken

Keine Frage, die Universiade ist ein Vorgeschmack auf Sotschi und die weiteren sportlichen Großveranstaltungen auf russischem Boden

AUS KASAN LENNART WEHKING

Diese Geste ließ er sich nicht nehmen. Nach einigen markigen Begrüßungsfloskeln winkte Wladimir Putin milde lächelnd, aber doch bestimmt in Richtung Ehrentribüne. In Richtung des Präsidenten der Republik Tatarstan, Rustam Minnikhanov, der nur zögerlich neben den russischen Staatschef ans Rednerpult trat. Dann erst eröffnete das russische Staatsoberhaupt offiziell die Weltspiele der Studierenden. Ganz zum Gefallen der 45.000 Zuschauer in der ausverkauften Kasan-Arena, die sich jubelnd von ihren Plätzen erhoben. Es war einer von vielen perfekt inszenierten Momenten mit Symbolcharakter bei der vierstündigen pompösen Feier zur Eröffnung der Sommer-Universiade in Kasan, der Hauptstadt Tatarstans.

Die Universiade erfüllt seinen Zweck in Zeiten zunehmenden Protests und harscher Kritik aus dem In- und Ausland an der rückwärtsgewandten russischen Politik – vor wenigen Tagen erst unterzeichnete Putin das umstrittene „Gesetz gegen Homosexuellenpropaganda“. Geschickt präsentiert sich Russland als freundlich-offener und perfekt organisierter Gastgeber. Und hebt Tatarstan als Muster erfolgreicher innerrussischer Integration hervor: Die Republik gilt als Paradebeispiel für das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher religiöser und ethnischer Gruppen und gleichzeitig für eine autonome Republik, die mit der Politik aus Moskau konform geht.

Die Außendarstellung ist der Führung in Moskau eine Menge Geld wert: Schätzungen zufolge pumpt der Staat 4,5 Milliarden Euro in die größte sportliche Veranstaltung des Jahres. Russland testet dabei, quasi en passant, ein halbes Jahr vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi seine organisatorischen und logistischen Kapazitäten. Doch die Universiade ist mehr als eine Generalprobe für Olympia und die Fußball-WM 2018, sie setzt neue Maßstäbe. Rund 13.000 Teilnehmer aus über 170 Ländern stellen einen neuen Rekord in der Geschichte der Veranstaltung dar. „Die Universiade ist auch in diesem Jahr eine eigenständige Veranstaltung, die auch ohne die Vergabe der Olympischen Spiele nach Sotschi auf diesem Level ausgerichtet worden wäre“, meint Paul Wedeleit, neuer Generalsekretär des Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverbands. Der Delegationsleiter der deutschen Mannschaft in Kasan hat mehrere Olympische Spiele miterlebt und ist sehr angetan: „Die Versorgung, der Transport und die Bedingungen im Athletendorf sind mindestens auf Olympianiveau.“

Durch die neuen Maßstäbe in Kasan wird auch für die Olympischen Spiele im Winter 2014 geübt. Extra für die Universiade geschulte Busfahrer kommen auch in Sotschi zum Einsatz, der Transport zu den Sportstätten soll dort genauso präzise und fehlerfrei funktionieren. Auch die Ausbildungsprogramme für die ca. 25.000 Volunteers, die den einzelnen Nationen und Teams rund um die Uhr zur Seite stehen, sollen übertragen werden.

In Kasan sind vor allem Studierende als Volunteers in verschiedensten Funktionsbereichen unterwegs und erhalten für ihr Engagement in den Hallen und Stadien, in der Mensa, an den Informationsschaltern der Wohnblocks, als Teambegleiter oder Stimmungsmacher eine Belohnung in Form von Creditpoints an ihrer Universität. Der Großteil der Volunteers stammt aus der mit 1,2 Millionen Einwohnern siebtgrößten Stadt Russlands.

Natalya ist für den organisatorischen Ablauf an mehreren Wettkampfstätten zugeteilt. Was sie erzählt, lässt die Kosten und Mühen der Spielvorbereitung erahnen: „Die Menschen in Kasan werden seit zwei Jahren auf die Spiele vorbereitet. Falschparker werden härter bestraft als sonst, den Bürgern wurde ein Urlaub während der Spiele nahegelegt, um den Verkehr zu entlasten.“

Unannehmlichkeiten sollen den internationalen Gästen also erspart bleiben. Dafür wurden neue Straßen gebaut, in die Jahre gekommen Gebäude abgerissen, frisch saniert oder schick verkleidet. Allein 680 Millionen Euro wurden aufgebracht, um im Handumdrehen hochmoderne Stadien und Arenen zu errichten. Ein städtisches Verschönerungsprogramm sorgt für neue Grünflächen, die Wege der Athleten vom Dorf zum Wettkampfort sind gepflastert mit Bannern, Postern und Wimpeln der Universiade. Wer die vielen Neubauten in der Zukunft nutzen soll, ob das Projekt ökologisch nachhaltig angelegt ist, inwieweit die Einwohner Kasans von den Spielen profitieren, all dies bleibt offen.

Alles andere als offen ist derweil der Ausgang des sportlichen Messens: Die Wettkämpfe laufen ganz nach Geschmack der russischen Mannschaft. Im Stundentakt gehen neue Medaillen an den Gastgeber, 74 goldene sind bisher gezählt. Die asiatischen Verfolger Japan, Korea und China kommen bisher zusammen auf die Hälfte. Für den Medaillenregen sorgt nicht nur die Masse – mit über 900 Teilnehmern stellt Russland die mit Abstand größte Mannschaft –, auch die Qualität des mit unzähligen A-Kader-Athleten gespickten Teams erinnert eher an einen olympischen Kader. Für einen gewissen Anreiz, sich kurzfristig doch noch zu immatrikulieren, dürften gewiss auch die üppigen Prämien sorgen: Von mehreren tausend Euro für eine Medaille ist im Athletendorf die Rede.

Keine Frage, die Universiade ist ein Vorgeschmack auf Sotschi und die weiteren sportlichen Großveranstaltungen auf russischem Boden. Ein Vorgeschmack auch darauf, welche finanziellen und politischen Ressourcen Wladimir Putin aufzuwenden gewillt ist, um sein Land als Sportmacht zu etablieren.