: Vorteil durch Ausbeutung
KINDERARBEIT Weil Kinderhände billiger arbeiten, wehrt sich die Kreisverwaltung Uelzen dagegen, auf die Herkunft ihrer angeschafften Produkte zu achten. Der Verzicht käme nicht unmittelbar den Kreiseinwohnern zugute
Viele deutschen Städte und Kommunen haben bereits beschlossen, ihren öffentlichen Einkauf aus Produktionen ohne Kinderarbeit zu organisieren.
■ In Niedersachsen haben sich mittlerweile zehn Städte und Landkreise dazu verpflichtet, darunter Wolfsburg, Göttingen, Emden und Hannover.
■ Die Bundesregierung unterstützt die Internationale Arbeitsorganisation (Ilo) im Kampf gegen die Kinderarbeit. Sie setzt sich für die weltweite Ratifizierung der Ilo-Konvention zur Verhinderung von Kinderarbeit ein.
■ Rund 218 Millionen Kinder müssen laut Ilo arbeiten, oft unter ausbeuterischen und gesundheitsschädlichen Bedingungen.
VON UTA GENSICHEN
Als „entscheidenden Wettbewerbsvorteil“ hat die Kreisverwaltung Uelzen die niedrigen Löhne bei Kinderarbeit bezeichnet. Damit antwortete Landrat Theodor Elster auf einen Antrag der Kreistags-Fraktion der Grünen, der die Verwaltung auffordert, keine Produkte aus Kinderarbeit mehr zu kaufen. Die Beschlussempfehlung, die der Landrat stellvertretend für die Verwaltung vor der Abstimmung im Kreistag gab, sorgt nun für Wirbel in Uelzen.
Elster behauptete in der Stellungnahme unter anderem, dass „eine solche Klausel Kosten“ erhöhen würde. Außerdem entstünde in den Vergabestellen „ein höherer Aufwand bei der Prüfung der Nachweise“. Gegen die Selbstverpflichtung der Verwaltung spreche „gerade der Faktor Lohnkosten bei der Herstellung von Produkten mit Kindern“. Und schließlich würde der Verzicht auf Produkte aus Kinderarbeit nicht „unmittelbar den Kreiseinwohnern zugute“ kommen, schrieb Elster. Deshalb empfahl der Landrat und Vorsitzende des Kreisausschusses, den Antrag abzulehnen.
Am vergangenen Dienstag aber, dem Tag der Kreistagssitzung, meldeten die Fraktionen der CDU und SPD kurzfristig Beratungsbedarf an. Der Antrag wurde daraufhin verschoben. „Sie sind sich der Brisanz jetzt erst bewusst geworden“, sagte Martin Feller, Kreistagsabgeordneter der Grünen, am Mittwoch. Denn inzwischen haben auch die Lokalnachrichten die Witterung aufgenommen.
Ihm sei fast die Kinnlade herunter geklappt, sagte Feller über die Stellungnahme der Uelzener Verwaltung. Schließlich fordere der Antrag der Grünen nichts anderes, als die von der Bundesrepublik ratifizierte Konvention gegen Kinderarbeit einzuhalten. Feller zufolge könnte der Landkreis bei vielen Produkten darauf achten, ob die Hersteller das genannte Kriterium erfüllen. So etwa bei der Beschaffung von Arbeitskleidung und Uniformen. Außerdem gebe es so genannte gefährdete Produkte, die nicht selten aus Kinderhänden stammen. Dazu zählten Sportartikel, Teppiche, Pflastersteine sowie Holzprodukte. Mehr als 170 deutsche Kommunen haben sich bereits dazu verpflichtet, keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu kaufen.
Landrat Elster versteht die Aufregung indes nicht. „Wir sparen, wo wir können“, sagte er am Mittwoch der taz. Der Landkreis Uelzen kämpft derzeit mit einem Haushaltsloch von 9,6 Millionen Euro. Seine Aussage, billige Löhne aus Kinderarbeit seien ein Wettbewerbsvorteil, wolle er nicht zurücknehmen. „Ich stehe dazu“, sagte er. Warum der Antrag nicht – wie Elster empfohlen hatte – abgelehnt, sondern vertagt wurde, wisse er nicht.
Was für die Kreisverwaltung Uelzen unmöglich erscheint, wurde in der dazugehörigen Samtgemeinde Bevensen bereits abgesegnet. Der Grüne Martin Feller ist dort ebenfalls Ratsmitglied. Auf den wortgleichen Antrag, auf Produkte aus Kinderarbeit zu verzichten, sei überraschend positiv reagiert worden. „Die Verwaltung teilte mir mit, dass sie sowieso schon darauf achte“, sagte Feller.
Seit einer Reise durch Nepal sei für Feller der Kampf gegen Kinderarbeit eine Herzensangelegenheit. Dort habe er Kinder gesehen, die unter gefährlichen Bedingungen in einem Steinbruch Pflastersteine herstellen mussten. „Das war gruselig“, sagte er. Dass Feller in seiner Heimat mit dem Antrag gegen Kinderarbeit keinen Erfolg haben könnte, damit habe er zuvor nicht gerechnet. Ihm sei klar, dass die Uelzener nicht unmittelbar von dieser Selbstverpflichtung profitierten. „Aber nur, wenn man es rein monetär berechnet“, sagte Feller. Nun warte er die kommende Kreistagssitzung ab, ob die Abgeordneten dem Nein des Landrates folgen.