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Archiv-Artikel

Tor zur Perle am Horizont

Städteslogans – die haben was! Und weisen uns den Weg ins Urlaubsparadies

Ein paar knappe Worte, die Neugier entfachen und sagen, was einen erwartet

Wenn man keine Idee hat, wo man seinen Urlaub verbringen könnte, ist guter Rat nötig. Woher nimmt man kompetente Informationen, wer sagt einem, wo es gut und schön ist? Das leisten selbstverständlich die Städteslogans, dafür sind sie ja schließlich da. Ein paar knappe Worte, die Neugier entfachen und dem Orientierungslosen klipp und klar vermitteln, was ihn erwartet. Und schon fährt man dort hin.

Ich habe das ausprobiert: „München mag dich“ – da konnte ich nicht nein sagen, wunderte mich allerdings dort, weil ich an jeder Ecke von den Münchner Menschen zusammengegrantelt wurde. München mag mich mögen, die Münchner jedenfalls nicht. Also handelt es sich um einen schlechten Slogan.

Das andere Extrem – anstatt dreist zu lügen die unattraktive Wahrheit auszusprechen – wirkt allerdings auch nicht animierend. Nach Jena, der „Stadt zur Welt“, etwa will man genauso wenig fahren wie nach Birstein, dem „südlichen Tor zum Vogelsberg“, da zieht man lieber gleich in die Welt hinaus beziehungsweise in den Vogelsberg hinein. „Kaiserslautern – Wer uns findet, findet uns gut“. Das klingt sympathisch bescheiden, die wissen genau, dass eh keiner zu ihnen kommt. Freiamt („Erholungsort im Schwarzwald“) bringt die Fakten angenehm sachlich auf den Punkt, verheißt aber nichts Besonderes, und genau das wünscht man sich ja im oder auch vom Urlaub. Am besten das Beste, und wenn es sich nur um Frankenberg handelt, „Das Beste zwischen Himmel und Eder“.

Wenn es zu Optimum und Kalauer nicht langt, sollte die Destination zumindest das gewisse Etwas aufweisen. Oldenburg zum Beispiel, weil: „Das hat was!“ Dito Delmenhorst: „Da geht was“. Und kommt nicht wieder. Aber auch „Körle hat’s“. Hannover gar „hat’s drauf“, wird hingegen locker von Stuttgart übertroffen, ist Stuttgart doch „Die Bäderstadt, die alles hat“. Und „alles“, darunter tun wir’s nicht.

Manchmal will man’s aber gar nicht genauer wissen. „Suhl trifft“ bedrohlich und macht betroffen. „Menden – Stadt woanders“ sagt uns wiederum ein bisschen zu wenig, wenn auch mehr als Bonn, „Die Stadt“, die freilich auch woanders liegt, zumindest woanders als Menden. Oder Kreuztal. Kreuztal ist nicht die Stadt (weil das ja Bonn ist), sondern „Meine Stadt“. Überzeugt alles nicht.

Konkreter wird es endlich in Lingen, ist Lingen doch die „Stadt der Kivelinge“. Nur wissen wohl nur die wenigsten, wer oder was „Kivelinge“ sind und warum man deretwegen Lingen ansteuern soll. Oder eine Uffe, was ist eine Uffe? Ein Klempnerwerkzeug? Wer es erfahren will, muss gen Bad Sachsa touren, weil sich Bad Sachsa als „Die fröhliche Uffe-Stadt“ empfiehlt. Aber nicht nur, Bad Sachsa steht für mehr („Sinzig ist mehr“, „Weingarten ist mehr“, „Bad Ischl ist mehr“, „Spanien ist mehr“), Bad Sachsa glänzt nämlich zusätzlich als „Die Perle im Südharz“. Nicht anders als Bad Sooden, „Die Perle im Werratal“, Freudenstadt, „Die Perle des Schwarzwaldes“, und Schwarzenberg, „Die Perle des Erzgebirges“. Genthin darf unbedingt nicht übersehen werden: „Die Perle am Kanal“. An welchem, ist wurscht, Hauptsache Perle. Perle zieht immer, Perle ist ein echtes Hinreisehammerargument. Allerdings gibt es derart viele Perlen, dass man leicht den Überblick verliert.

Den hat man idealiter von ganz oben. Zum Beispiel in Zeulenroda, der „Stadt auf der Höhe“, ganz zu schweigen von St. Moritz: „Top of the world“. Dagegen fällt Ulm steil ab, denn Ulm markiert lediglich die „Spitze im Süden“, was vielleicht bedeutet, dass nur der Ulmer Süden spitze ist, im Gegensatz zum Ulmer Norden, Osten und Westen.

Topografisch topexakter outen und orten sich Regensburg als „Spitze an der Donau“, Bad Liebenzell „Im Schwarzwald ganz oben“, Hof „In Bayern ganz oben“. Die Obertauern sind ganz generell „Ganz oben“, der unverwüstliche Harz war, ist und bleibt zuverlässig „Immer ganz oben“, Ostwestfalen-Lippe immerhin ermittelt man „Ganz oben in Nordrhein-Westfalen“, was ja auch nicht so schlecht ist.

Nur Günter Wallraff war ganz unten, aber der ist ja auch keine Ferienregion, sondern ein freier Journalist. Als solchen würde man ihn vielleicht in Reit im Winkl antreffen: „Durchatmen. Frei sein!“ Oder – „Im Horizont die Freiheit“ – im Vinschgau? Nein, vermutlich wohl doch eher in Kronplatz. Wo immer das sein mag, dort geht es „In Freiheit der Sonne entgegen“.

Am Ende ist alles einerlei. „Wohin wir fahren, wir fahren immer nach Hause“ oder annähernd so ähnlich hat Novalis es geschrieben. Weshalb man auch gleich zu Hause bleiben kann. Egal wo, in Borken, der „Kreisstadt aus gutem Grund“; in Bad Oldesloe, „der besten Trave-Stadt“; in Alzey, der „heimlichen Hauptstadt Rheinhessens“; wenn nicht sogar in Bad Brückenau, dem friedlichen „Ort der Harmonie“.

Es ist einerlei. Das haben sie in Sierksdorf kapiert: „Egal was – Hauptsache nix“. Das überzeugt. Denn was soll all die Angeberei – Bad König: „Erleben. Erholen. Genießen.“, Bad Kreuznach: „Entspannen. Wohlfühlen. Erleben“, Bad Malente: „Wohlfühlen und aktiv sein“, Rügen: „Urlauben. Erleben. Sparen.“, „Stadtallendorf aktiv erleben“, Ebersbach: „Entdecke das Erlebnis“ … – wir wollen nichts erleben. Wir sind jetzt erschöpft und wollen unsere Ruhe haben, Hauptsache nix, egal wo.

Und bleiben dann doch nicht daheim, weil wir am Ende schließlich unser Traumreiseziel aufgetan haben: Bislich, „Das Dorf am Teich“. Das klingt gut, da ist es bestimmt ganz prima.

THOMAS SCHAEFER