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Archiv-Artikel

Die schönste Art der Zen-Food-Zubereitung

GLAUBENSFRAGE Ob Grillen nur Männersache ist, mag strittig sein. Unzweifelhaft ist dagegen, dass mittlerweile Vegetarisches den herkömmlichen Fleischbatzen Konkurrenz macht und es eines zu beachten gilt: Man sollte sich unbedingt ausreichend Zeit nehmen

Meist stehen die Herren der Schöpfung im Kreis um die Glut, das Bier in der Hand, und fachsimpeln über Holzkohle, Garzeiten, oder die Vorteile des Kugelgrills

VON MICHAEL PÖPPL

Sobald es sommerlich wird, herrscht Rauch, wohin man sieht: Über dem Monbijoupark in Mitte ziehen jedes Wochenende dichte Dunstwolken Richtung Neue Synagoge. Nicht nur die vorbeiflanierenden Touristen wundern sich über das Gedränge im kleinen Grünstreifen an der Oranienburger Straße.

Verbot im Tiergarten

Doch seit im Jahr 2012 das Grillen im Tiergarten von der Bezirksverwaltung Mitte verboten wurde, drängen sich die Fans des offenen Feuers an den letzten übriggebliebenen offiziellen Grillstellen, auch in den anderen Bezirken. Ob an der Puschkinallee am einstigen Mauerstreifen zwischen Treptow und Kreuzberg, im Volkspark Friedrichshain oder im Wilmersdorfer Preußenpark, fast überall scheint das Spiel mit dem offenen Feuer übrigens vornehmlich Männersache zu sein. Meist stehen die Herren der Schöpfung im Kreis um die Glut, das Bier in der Hand, und fachsimpeln über Holzkohle, Garzeiten, Grillwerkzeug oder die Vorteile des Kugelgrills. Ähnliches ist übrigens auch im Internet zu beobachten, die digitalen Nerds des Grillens sind vorwiegend Kerle.

„Grillen liegt uns Männern eben im Blut“, sagt Barbecue-Meister Sven Dörge, der die Website bbq-mag.de betreibt und seit Jahren Grillkurse gibt: „Wahrscheinlich versammeln wir uns wie unsere Steinzeitvorfahren einfach gerne ums Feuer, das ist so schön archaisch.“ Dörge lacht, er spielt in seinen Büchern und Kursen selbst gerne mit dem Macho-Klischee. Dabei entspricht seine Grillphilosophie längst nicht den gängigen Vorstellungen: „Einfach fett Kohlen auf den Grill werfen, Spiritus drüber, anzünden und dann auf glühender Hitze das Fleisch verbrennen – das ist er ganz falsche Ansatz. Fürs Grillen muss man sich unbedingt Zeit nehmen.“

Die wichtigsten Tipps des Grillprofis sind: einfach mal nur die Hälfte der Holzkohle benutzen und sich in Geduld üben, bis die Glut die richtige Hitze hat. Das kann ruhig 30 bis 40 Minuten dauern. In der Zwischenzeit kann man sich mit seinen Gästen unterhalten, schon mal einen Aperitif trinken oder einfach dem Feuer zusehen: „Grillen ist die schönste Art von Zen-Food-Zubereitung“, sagt Dörge. Übrigens: Auch beim Männersport Grillen muss es nicht immer nur Fleisch geben. „Natürlich gehören Steaks und Würstchen auch zu unseren Lieblingsgrillobjekten.“ Doch es gebe auch für jedes Gemüse „eine fantasievolle Art und Weise, sie auf dem Grill zuzubereiten“. Dafür sollte man vorher „ein Schälchen Lachstartar oder ein paar spannende Dips“ vorbereiten, sagt Dörge.

Gute Tipps fürs Gemüsegrillen hat auch Nicole Just. Sie ist die Autorin des vor kurzem erschienenen Kochbuchs „La Veganista“, in dem sie über 100 Rezepte vorstellt, von denen viele auch bestens für Grillpartys geeignet sind. „Gemüse kann man genauso wie Fleisch in Marinaden einlegen, für die Würzung sollte man aber nur harte Kräuter wie Rosmarin oder Thymian verwenden, weiche Kräuter wie Petersilie oder Basilikum verbrennen schnell über der Glut.“ Bunte Gemüsespieße legt die junge Köchin vorher eine Viertelstunde in Wasser ein, damit sie auf dem Grill nicht verbrennen. Ein Trick, der auch dafür sorgt, dass der Holzspieß überm offenen Feuer ganz bleibt. Nicole Just legt das Gemüse beim Grillen übrigens direkt auf den Rost, ohne Alufolie: „Aber bitte nicht totgrillen, das Gemüse darf noch Biss haben, bei Zucchini reichen zum Beispiel zwei Minuten Grillen von jeder Seite.“

Grillen geht aber nicht nur vegetarisch, sondern sogar ganz vegan. Früher hat Just regelmäßig tierische Produkte gegessen, die Enkelin eines Metzgers liebte Würstchen und Schnitzel. Ihre Entscheidung, auf tierische Produkte zu verzichten, war rational, zudem mochte sie gutes und raffiniertes Essen: „Im Lauf der Jahre habe ich festgestellt, dass man auch beim veganen Kochen wirklich alle Geschmacksrichtungen hinbekommt, auch solche wie deftig oder geröstet, die ich seit meiner Kindheit liebe.“

Alternatives Grillgut

Als alternatives Grillgut empfiehlt Just Tofuwürstchen oder Seitan aus Weizeneiweiß, das man aus der asiatischen Küche kennt und auch in jedem Asialaden kaufen kann. Die Veganista bereitet ihr Seitan allerdings gekonnt selbst zu.

Es hat eine ähnliche Konsistenz wie zartes Kalbfleisch, wird mariniert oder nur mit Sonnenblumenöl eingerieben und ist auf dem Grill schnell zubereitet: „Es ist ja schon gar und man braucht ja nur die knusprige Hülle“, sagt Nicole Just. Nach wenigen Minuten liegt das Seitanschnitzel dann duftend auf dem Teller, dazu gibt es gegrillte Shitakepilze. Tatsächlich hat das vegane Schnitzel das begehrte Holzkohlengrill-Aroma. Es schmeckt so gut wie ein echtes Steak. Wenigstens fast. Die Pilze aber sind fantastisch.

■ Tipps & Co: Grillkurse von Sven Dörge sind über seine Webseite unter www.bbq-mag.de buchbar.Literatur zum veganen (und vegetarischen) Grillen: Nicole Just: „La Veganista – Lust auf vegane Küche“, Gräfe und Unzer/G+U , München 2013, 192 Seiten, 16,99 Euro; „Vegan Grillen“, Neun Zehn Verlag , Berlin 2013, 95 Seiten, 5,90 Euro