Steinbrücks System : Zum Sieg gewendet
Schon wieder Peer Steinbrück. Wie vor einem Jahr. Eine Rede im Kölner Gürzenich zum politischen Aschermittwoch. Der Unterschied: Gestern war Steinbrück als Bundesfinanzminister Stargast der Sozialdemokraten-Veranstaltung. Vor einem Jahr machte noch Kanzler Schröder den Hauptredner. Für den abgewählten Ministerpräsidenten ging das politische Chaosjahr 2005 wirklich prima aus. Der Wahlverlierer, unter dem die SPD nach 39 Jahren aus der Landesregierung flog, wurde Siegertyp. Dabei hat Steinbrücks nur scheinbar paradoxer Siegeszug durchaus ein Methode: seine.
KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN
Für den Norddeutschen funktioniert Politik wie eine Amtsstube und weniger als repräsentative Machtausübung. Der Wahlbonner – sein Handwerk hat er in der Staatskanzlei gelernt – ist ein Aufsteiger der Bürokratie, nicht der Parteipolitik. Und der Berliner Kabinettssessel ist die Krönung seines trickreichen Sommers 2005.
Denn statt sich in dem schwierigen Bundestagswahlkampf zu verbeißen, widmete sich Steinbrück lieber vorauseilend der Bundesregierungsbildung. Der Ex-MP machte dazu wenig Wahlkampf und viele Hintergrundgespräche mit Chefredakteuren. Und immer dachte er nur an das eine: die große Koalition. Als dann die Septemberwahl, nicht aber die Stimmung der Genossen, seine schwarzrote Wunschkonstellation hergab, wurde er sogleich zum offensivsten Brückenbauer ins Konservative und ministrabel.
Zögerlicher ging Steinbrück freilich mit seinem Landtagsmandat um: Erst einen Tag vor dem Berliner Ministereid legte er es nieder. Es sei ihm schwer gefallen, sagte der EX-MP damals. Klar doch: Viel leichter fiel es ihm zuvor, Abgeordneter zu bleiben, obwohl er weder im Landtag noch in der NRW-SPD Funktionen übernehmen wollte. Er hatte sich schließlich um etwas wichtigeres zu kümmern: Gestern nannte er es die „politische Chance in Deutschland“.