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Archiv-Artikel

„Ich will wirklich wissen, was da los war“

Mehr Kontrolle der Geheimdienste Not tut, meint Wolfgang Neskovic. Beleg dafür sei der Verdacht, der BND habe 2002 Informationen an die CIA weitergegeben. „Die Bundesregierung sitzt auf der Anklagebank – und will allein über den Umfang der Aufklärung bestimmen“

taz: Herr Neskovic, was können Sie aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium über die Umtriebe des Bundesnachrichtendienstes (BND) berichten?

Wolfgang Neskovic: Nichts. Ich darf den Bürgern keinerlei Aufklärung geben.

Gut, dass Sie sich an die Spielregeln halten. Nur, wie kann ich dann erfahren, ob Gerhard Schröder und Joschka Fischer im Irak mitgemischt haben?

Das kann nur ein Untersuchungsausschuss des Parlaments herausfinden. Oder der Generalbundesanwalt.

Warum der Generalbundesanwalt?

Weil nach den Berichten der New York Times Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Bundesregierung an der Vorbereitung eines Angriffskrieges beteiligt haben könnte. Kein geringer Vorwurf, der auch strafrechtlich relevant wäre. Nur der Bundesanwalt kann sachgerecht beurteilen, ob alle Tatbestandsvoraussetzungen dafür erfüllt sind.

Sitzen Sie vielleicht auch einem Medienhype der Times auf? Die hätte nicht zum ersten Mal etwas nur publiziert, um Politik zu machen.

Dass die Politik machen, davon kann man ausgehen. Darum geht es mir jedoch nicht. Ich will wissen, ob die veröffentlichte Information zutreffend ist, dass der BND noch vor Ausbruch des Krieges ganze irakische Verteidigungspläne an die angriffsbereite US-Armee weitergereicht hat.

Was ist verwerflich daran, wenn man einer befreundeten Macht Informationen über die Strategien eines Diktators und Menschenrechtsverletzers wie Saddam Hussein gibt?

Verwerflich ist, wenn man das tut und sich gleichzeitig gegenüber der Bevölkerung als Friedensfürst aufspielt. Genau das haben Gerhard Schröder und Joschka Fischer getan, als sie kurz vor den Bundestagswahlen PR-wirksam „Nein zum Irakkrieg“ gesagt haben. Man hätte Menschen getäuscht, die in ihrer überwältigenden Mehrheit gegen den Krieg waren.

Was nützt diese Bewertung im Nachhinein?

Wenn der BND den Amerikanern Pläne gegeben hat, läge eine aktive Beteiligung am Vorbereiten eines Krieges vor. Das wäre ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht und zudem politisch unredlich. Sie werden verstehen, dass wir weitere politische Täuschungsmanöver darüber nicht zulassen können. Wir müssen eine Standortbestimmung vornehmen, wo wir politisch und moralisch nach dem 11. September 2001 stehen. Und wohin wir wollen.

Hat Rot-Grün das Land und seine Bürger belogen?

Das würde ich gern herauskriegen. Lügen würde voraussetzen, dass die politisch Handelnden von der Kooperation mit den Amerikanern wussten.

Wäre es nicht denkbar, dass BND-Leute den kompletten Plan auf dem kurzen Dienstweg an ihre CIA-Spezis weitergereicht haben?

Wenn das unter dem Tisch durchgereicht wurde, möchte ich wissen: Wie werden die Geheimdienste eigentlich kontrolliert?

Und wenn es nicht auf unterer Ebene geschah?

Dann wird es richtig spannend. Denn wir sollten klären, wo die Mitarbeiter in Bagdad um Erlaubnis fragten, bevor sie den Plan überreichten: Beim BND-Chef? Im Auswärtigen Amt? Oder sogar im Kanzleramt?

Wäre doch anzunehmen, dass der Bundeskanzler über die Übergabe gerne selber entschieden hätte.

Ich will mich an Spekulationen und Unterstellungen gar nicht erst beteiligen. Ich will wirklich wissen, was da los war.

Die Bundesregierung hat einen Bericht über konkrete Operationen vorgelegt. Noch nie wussten wir so viel über die Arbeit des BND.

Laut Presse umfasst der Bericht, der im Kontrollgremium vorgelegt wurde, 300 Seiten. Der für die Öffentlichkeit hat nur 90 Seiten. Es fehlen den BürgerInnen also 210 Seiten Aufklärung. Obendrein haben wir Abgeordnete keinerlei Möglichkeit, den Wahrheitsgehalt dieser Informationen zu prüfen. Anders gesagt: Die Bundesregierung sitzt auf der Anklagebank – und will allein über den Umfang der Aufklärung bestimmen. Ein grotesker Vorgang. Da kann nur ein Untersuchungsausschuss helfen.

Die Regierung kann auch einem Untersuchungsausschuss Information vorenthalten – aus ihrem so genannten Arkanbereich.

Da wäre ich optimistischer. Ein Ausschuss gibt der Opposition Handlungsmöglichkeiten, die weit über das hinausgehen, was ich als Mitglied des Kontrollgremiums tun kann.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER