: Woody Beckenbauer
SPORTFERNSEHEN Mit viel Brimborium und natürlich mit dem Kaiser zelebriert Sky das erste Fußballbundesligaspiel in 3-D. Doch die versprochene Revolution bleibt weitgehend aus
AUS MÜNCHEN MAURITIUS MUCH
Fast ist es wie im Sommer 1999: Damals warteten die Menschen mit verdunkelten Pappbrillen auf Häuserdächern oder in Parks darauf, dass sich der Mond vor die Sonne schob und für ein paar Sekunden Dunkelheit sorgte. Heute, Sonntag, 17.30 Uhr, sitzen und stehen 200 Menschen an Bistrotischen und starren mit ihren verdunkelten Plastikbrillen auf mehrere Flachbildschirme. Nur warten sie nicht auf eine totale Sonnenfinsternis, sondern auf die Fußball-Bundesliga in 3-D. Sie warten auf eine Weltpremiere, wie der Bezahlfernsehsender Sky die Veranstaltung auf der Münchner Praterinsel inmitten der Isar groß ankündigt. Nur dass in England bereits Fußball in 3-D gezeigt wurde.
Schicke Plastikbrillen
Die Plastikbrillen von heute sind schicker geschnitten als die Pappvorgänger von 1999. Nur hat man jetzt das Gefühl, dass sich in dem verdunkelten Gewölberaum, wo sonst nur exklusive Partys stattfinden, 200 Woody Allens befinden. Allerdings ist dies durchaus erheiternd, weil etwa Sky-Experte Franz Beckenbauer zu 95 Prozent ganz normal aussieht, aber wegen der 3-D-Brille die Augenpartie von Woody Allen zu besitzen scheint. Noch dazu, wenn er dabei von seinen 3-D-Erfahrungen erzählt, in denen Klapperschlangen aus dem Bild herauskriechen.
Bevor das Fußballspiel Leverkusen gegen Hamburg in 3-D angepfiffen wird, gibt der Amerikaner Brian Sullivan, der im April Chef von Sky Deutschland werden wird, noch die Marschrichtung vor: „Der Start der Revolution beginnt heute.“ Daran muss er sich später messen lassen. Dann kommen die Mannschaften ins Stadion. Tatsächlich hat man zunächst das Gefühl, dass Ruud van Nistelrooy oder René Adler aus dem Fernseher herauslaufen. Das ist wirklich dreidimensional. Es fühlt sich ein bisschen so an wie die Magisches-Auge-Bücher aus den Neunzigerjahren, als man auf ein Bild in grellen Farben starrte, bis plötzlich ein anderes Bild in 3-D herauskam.
Im nächsten Moment aber erschrickt man und zuckt mit den Augen zusammen: Die Nahaufnahme vom Einlauf der Mannschaft ist plötzlich zu Ende und weicht einer totalen Kameraeinstellung auf die Fankurve. Dieser schnelle Schnitt ist für das Auge zu viel. Leider ändert sich dieser Effekt bis zum Spielende nicht. Jeder Wechsel der Kameraperspektive bleibt unangenehm. Genauso störend sind die Zeitlupen, weil sie total unscharf sind – als ob man seine Brille vergessen hätte. Dummerweise sieht man auch in bestimmten Kameraperspektiven ständig Leute durchs Bild laufen. Das sind die Leverkusener VIPs, die nach der Halbzeit erst gemächlich wieder auf ihren Sitzen Platz nehmen.
Wenn die Kamera das Spiel in einer Totalen zeigt, dann merkt man keinen Unterschied zum normalen Fußballschauen – es sei denn, der Ball fliegt hoch durch die Luft. Man wünscht sich geradezu, dass Hamburgs Abwehrchef Joris Mathijsen den Ball hoch nach vorne drischt. Hauptsache, der Ball fliegt hoch aus dem Fernseher heraus. Doch im selben Augenblick schämt man sich auch schon für sich selbst, hat man sich doch gerade ein hässliches englisches Kick-and-Rush-Spiel mit langen Bällen nach vorne gewünscht und eben kein ansehnliches Aufbauspiel mit kurzen Pässen. Seltsam, wie 3-D die eigenen Fußballvorlieben verändert.
Nervige Zeitlupen
Eine Viertelstunde vor Schluss schaut nur noch die Hälfte der 200 Gäste mit den verdunkelten Woody-Allen-Brillen auf die Bildschirme. Der Rest plaudert bei Aperol Sprizz an den Bistrotischen und wartet auf das warme Büffet. Nach dem Spiel ist der Showteil schnell vorbei. Es gibt keine Diskussion mehr darüber, ob Fußball in 3-D nun wirklich eine Revolution ist. Schon in der Halbzeit beschränkten sich die Gäste, Bayerns Sportdirektor Christian Nerlinger, DFB-Sportdirektor Matthias Sammer und „Woody“ Beckenbauer artig darauf, die Bundesliga in 3-D „beeindruckend“ zu finden.
Die Nahaufnahmen von einwerfenden Spielern, gestikulierenden Trainern und winkenden Linienrichtern sind in der Tat faszinierend. Die Zeitlupen, die Umschnitte und die durchlaufenden VIPs sind dagegen einfach nur nervend. Ein bisschen mehr Revolution hätte es schon sein dürfen.