: Einsamer Kauz
TIERE Vor drei Wochen wurde erstmals seit Jahrzehnten wieder ein Uhu in Berlin gesichtet. Seitdem ist der Naturschutzbund dem Vogel auf der Spur – mithilfe vieler Berliner
WILDTIEREXPERTE DERK EHLERT
VON ALEXANDER BÖTTNER
Seit mehr als drei Wochen verfolgt Jens Scharon einen Uhu. Zuletzt wurde der Vogel vor zehn Tagen auf der Museumsinsel gesichtet – seitdem ist er wieder verschwunden. Daher baut der Ornithologe des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) weiter auf die Unterstützung der BürgerInnen Berlins. „Wir haben bisher rund 80 Hinweise von den Menschen aus Berlin erhalten“, freut sich Scharon. „So viel Aufmerksamkeit haben wir selten durch eine Pressemitteilung.“ Warum sich die Menschen für den Uhu interessieren, liegt für den Tierliebhaber auf der Hand: „Ein Uhu ist ein imposanter Nachtjäger; aufgrund seiner Lebensweise bekommt man ihn nur selten zu Gesicht.“
Der Uhu erregt derzeit auch für ein so großes Interesse, weil er im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig ist. Nach Aussage von Derk Ehlert, dem Wildtierexperten der Stadt Berlin, lässt sich in keiner Quelle der vergangenen rund 100 Jahre ein Hinweis auf einen Uhu in Berlin finden. Selbst in Brandenburg leben nach Nabu-Angaben aktuell nur zwei bis fünf Brutpaare.
Zum ersten Mal war der Uhu am 19. Februar auf einer Platane auf dem Hof des St.-Hedwig-Krankenhauses in Mitte gesehen worden. Berliner Ornithologen begaben sich am darauf folgenden Wochenende auf die Suche nach ihm – leider erfolglos. Wenige Tage später entdeckten Mitarbeiter des Krankenhauses den Uhu noch einmal. Daraufhin startete der Nabu einen Aufruf in der Presse: Wer Informationen über Eulen in Berlin hat, solle sich melden.
Als der Uhu das nächste Mal am 5. März gesichtet wurde, war Scharon dann rasch vor Ort: Der Uhu hatte sich ausgerechnet gegenüber der Naturschutzbehörde aufs Dach des Märkischen Museums in Mitte niedergelassen – und posierte für die stetig wachsende Zahl der Zuschauer. Sogar ein Kamerateam und Fotografen bekamen ihn aufs Bild. Was ihn von anderen Eulen abhebt, bemerkte man auf den ersten Blick: seine Größe. Uhus sind die größten europäischen Eulen und haben eine Körperlänge von rund 70 Zentimetern und eine Spannweite von bis zu 180 Zentimetern.
Schließlich imitierte ein Mitarbeiter der Naturschutzbehörde den Ruf eines Uhus. Das veranlasste ihn, seinerseits mit seinem Balzruf um ein Weibchen zu werben. Doch sein Lockruf wird in Berlin wohl vorerst nicht von einem Weibchen gehört werden. „Eigentlich brühten Uhus in dieser Jahreszeit schon“, sagt Scharon, „vermutlich hat er Torschlusspanik“.
Ob es sich um ein entflogenes Tier handelt, ist für Scharon schwer zu sagen. Der Uhu zeige zwar keine große Scheu vor Menschen. „Aber zumindest hat er keine konkreten Merkmale für ein entflohenes Tier, etwa einen Ring“, so der Ornithologe. Außerdem deute Blut an seinen Krallen darauf hin, dass er in der Lage ist selbst zu jagen.
Vielleicht habe die schwierige Nahrungssuche den Uhu im kalten Winter nach Berlin getrieben. Die Hauptstadt mit ihren Wäldern, Parks und zahllosen alten Gebäuden mit kleinen Nischen sei ein willkommenes Revier mit guten Möglichkeiten für einen Brutplatz. Immer mehr Wildtierarten wie Biber, Waschbären und der Habicht erschließen sich Städte als potenziellen Lebensraum. Könnte auch der Uhu in Berlin heimisch geworden sein? „Noch ist er unstet und sucht nach einem vernünftigen Platz und einem Weibchen“, meint Ehlert, „aber es kann gut sein, dass er erst einmal eine Weile bleibt“.
■ Hinweise auf den Aufenthaltsort des Uhus und auf Schlafplätze von Waldohreulen sind beim Nabu nach wie vor erwünscht. Ideal sei ein Foto zur genauen Bestimmung der Art. Meldungen bitte an den Nabu Berlin, Tel. (0 30) 9 86 41 07